Drei junge Unternehmer strahlen mir beim Skype-Gespräch auf dem Bildschirm entgegen. Sie wirken fröhlich und entspannt. Ein kurzes „Hallo, schön dass ihr Zeit habt!“ – und schon bricht die Internetverbindung ab. Zweiter Versuch, nicht viel besser. Wieder lachen alle drei, aber ins Gespräch kommen wir aufgrund der technischen Bedingungen nicht.
Dritter Versuch: „Entschuldigt die schlechte Verbindung!“ – Ein freundliches „Macht ja nichts, wird schon werden!“ – und wieder ist Schluss. Der Internetprovider scheint keinen Sinn für ein Gespräch über Architektur, Schmuck und den Wert von Kunst zu haben. Der Telefonanbieter ebenso wenig, denn auch per Handy verstehe ich kaum ein Wort von dem, was die drei sagen. Ist Wien wirklich so weit entfernt?
Manchmal anscheinend schon, vor allem, wenn das Gespräch über Kontinente hinweg stattfindet. Sie in Wien, ich in einem Dorf in Zentralamerika – erst der österreichische Telefonanbieter hat ein Einsehen und lässt uns miteinander reden. Die Telefonrechnung bekomme ich nächsten Monat, also derzeit besser nicht daran denken. Wahrscheinlich hätte ich mir um den Wert des Telefonats drei Ringe von „rst“ kaufen können.
rst – das sind Antonia Reichart, Michael Schmücking und Conny Thonhauser, drei Student/innen aus München, Innsbruck und Lienz. Kennengelernt haben sie sich beim Architekturstudium. Zuerst die beiden Frauen 2012, ein Jahr später kam der Dritte im Bunde dazu. Dann ging alles sehr schnell. Erste Designideen für Schmuck, der Gedanke verschiedene Materialien miteinander zu kombinieren, einige Auftritte bei Kunstmärkten und bald wurde klar: Das Konzept geht auf, der Schmuck gefällt, wird gerne gekauft. In diesen Tagen, Anfang Dezember, feiern sie ihr einjähriges Bestehen. Inzwischen haben sie ihren eigenen Facebook-Eintrag, wo einige ihrer Schmuckstücke zu sehen sind, vor allem aber Menschen, die den Schmuck tragen und sich sichtlich wohl dabei fühlen. Eine Website ist im Aufbau und zwei Geschäfte im sechsten und siebten Wiener Gemeindebezirk, beide bekannt für alternatives Design und heimische Modelabels, verkaufen den Schmuck von rst.
Entdecken, erforschen, ausprobieren
Architekturstudenten, die Schmuckdesign machen? Schon alleine die Frage, ob es einen Unterschied in der Arbeit an großen Häusern und Schmuck gebe, scheint die drei zu irritieren. Es gehe um die Arbeitsprozesse, immer stehe die Kreativität im Mittelpunkt. Dabei sei es egal, ob das großflächig für ein Haus geschehe oder in der Feinarbeit für eine Kette. „Der Kontext ist von Bedeutung – auch beim Material“, sagt das Trio. Was sie besonders interessiere, sei das Ungewöhnliche, und das wiederum vor allem in der Kombination der Materialien. Metall bei Schmuck sei das Gewohnte schlechthin, die Kombination zwischen Metall und Filz aber stelle Designer vor Herausforderungen und eröffne neue Möglichkeiten. Ähnlich sei das auch bei anderen Kombinationen von Materialien. Am liebsten experimentieren sie mit Ausgangsprodukten, die man im Baumarkt bekommt oder die in der Industrie verwendet werden. Hier ist er also, der Einfluss des Architekturstudiums.
„Es ist der Prozess, der uns interessiert“, betonen sie nacheinander. Wer ihre Schmuckstücke betrachtet, hat keine Schwierigkeiten, das zu glauben. Etwas Raffiniertes liegt an ihren Entwürfen.
Manchmal kommen im Gespräch die Architekten deutlicher durch, etwa bei der Frage, ob man Schmuck bei ihnen auch in Auftrag geben könne. „Natürlich! Aber nach unserem Design!“ Dann lachen sie wieder und sagen, man könne erste Ideen zu ihnen bringen, Entwürfe. Sie würden diese dann in ihrem Stil umsetzen. Die Antwort klingt logisch, wie beim Hausbau. Auf diese Weise ist auch die erste Kinderlinie von rst entstanden: Tigerohren, Tigerkette, die Kinder einer Freundin seien die Motivation gewesen, etwas Neues zu entwickeln, „um unseren Horizont zu erweitern.“
So gestaltet sich die Arbeit bei rst häufig: aus einer Kombination aus Freiraum, Experiment und Zufall. Frauen scheinen diesbezüglich als Kundinnen mutiger zu sein. Denn sind die meisten männlichen Käufer eher jung, tragen junge Frauen den Schmuck ebenso gerne wie ältere Kundinnen. Vielleicht liegt das an den Materialien, die Kombinationen von weich und hart, von warm und kalt.
Fair bleiben
Schlicht – ein weiteres Wort, das sich aufdrängt. So ganz glücklich wirkt keine/r der drei Designer/innen mit diesem Begriff. „Elegant“ scheint ihnen lieber zu sein, oder zumindest „schlicht und elegant“. Immerhin wird bei rst alles handgemacht. Ein guter Teil unseres Gesprächs kreist um faire Preise. Ebenso wie der Schmuck im Design nicht billig wirke, dürfe er auch nicht zu billig sein, sonst sei er nichts wert, sagen sie unisono. Letzten Endes sei Schmuck ja doch ein Wertgegenstand. Man kaufe ihre Stücke nicht so einfach im Vorbeigehen. Wer jetzt überteuerte Preise erwartet, irrt.
Ich richte das Gespräch auf die unter jungen Künstlern oft thematisierte Selbstausbeutung. Sie gehen nicht darauf ein, wollen schlicht fair bleiben und nicht so agieren, wie bekannte Firmen, deren Name für hohe Preise stehe, gleichgültig, was das Produkt sei. Das ist sympathisch. Vielleicht lassen sich Arbeitsstunden und Material abdecken, der Prozess des Experimentierens ist ein Geschenk, das die drei sich selbst und ihren Kund/innen machen. Ein Luxus, den sie sich leisten.
Ausgestellt sind die Schmuckstücke in Wien bei Etagere in der Lindengasse und bei dressed identity in der Brückengasse. Bleibt zu hoffen, dass es die Schmuckstücke von rst bald auch in Osttirol gibt – über Internet auf jeden Fall. Eine Handy App existiert bereits – aber an diesem Punkt bricht unser Gespräch wieder ab. Das Letzte, was ich höre, ist das Lachen von Conny, Antonia und Michael.
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