Es ist Ende Jänner 2013 und ziemlich kalt am Ufer der Drau in Oberkärnten. „Obergottesfeld“ heißt das Fleckchen Acker- und Flusslandschaft zwischen Lind und Sachsenburg, das keiner kennt, weil nicht einmal der Lokalzug hier abbremst und schon gar nicht die Autofahrer auf der schnurgeraden B100. Klaus Michor hat die Hauptstraße dennoch verlassen und lenkt seinen Pkw auf Schleichwegen in Richtung Flussufer. Er leitet gemeinsam mit Maria Mietschnig die Firma „Revital“ und kennt die Gegend wie seine Westentasche. Revital hat er diesen Ort maßgeblich mitgestaltet.
Michor ist Landschaftsplaner und wäre nicht einer der erfolgreichsten seiner Zunft, wenn er sich auf die Planung von Landschaften beschränken würde. „Es klingt pathetisch, aber wir haben den Anspruch, die Lebensgrundlagen der Menschen in den alpinen Berg- und Talregionen zu verbessern“, erklärt der 52 Jahre alte Osttiroler, der so smart wirkt, wie sein Unternehmen arbeitet. 30 Mitarbeiter, davon 25 Akademiker, beschäftigt Michor mit Projekten zur „integrativen Naturraumplanung“. Kein anderes Privatunternehmen Osttirols hat eine höhere Akademikerquote, kein Beratungsunternehmen des Bezirkes ist außerhalb von dessen Grenzen so erfolgreich wie Revital.
Sein Lieblingsprojekt zeigt uns Michor fast vor der Haustüre. Vom Firmensitz in Nußdorf-Debant bis nach Sachsenburg sind wir nur eine gute halbe Stunde gefahren. Jetzt plätschert im gemütlichen Wintermodus ein kleiner Nebenarm der Drau an uns vorbei, durch eine Landschaft, die man auf den ersten Blick für naturbelassen halten könnte. Dabei war hier vor zwei Jahren noch kein Nebenarm, der Fluss hatte noch keine Chance, sein stur geradeaus laufendes Bett für einen Ausflug in die Auen zu verlassen, nach Herzenslust Geschiebe zu verteilen und sich jenes Terrain zurückzuerobern, das ihm die Regulierungen früherer Jahrzehnte radikal enteignet hatte.
„Traumhaft, oder?“ Michor ist mit dem Fluss zufrieden. Schon bei der Planung, zu der Revital maßgeblich beitrug, hatte man aus wirtschaftlichen und ökologischen Gründen auf die natürliche Gestaltungskraft der Drau gesetzt. „Zu Recht, wie man heute sieht“, erklärt der Experte, der auch am Lech und anderen Flüssen seine Spuren hinterließ. 70 Kilometer flussaufwärts trifft sich die Drau mit der Isel, die vielen Osttirolern als fast heilig gilt und derzeit auf einen Status wartet, den die Drau ab der Bezirksgrenze schon hat: Natura 2000. „Kaum jemand in Osttirol weiß, dass ab Oberdrauburg ein Natura 2000 Flussgebiet beginnt, übrigens mit Überzeugung befürwortet von sämtlichen Gemeinden entlang dieses Drauabschnitts bis hinunter nach Spittal,“ erklärt Klaus Michor, für den die Drau weit mehr ist als irgendein Fließgewässer. „Das ist auch ein Kulturraum, eine Achse, die Regionen verbindet.“
Michor muss es wissen. Sein Unternehmen hat sich entlang der Drau entwickelt, mit Kunden vom Ursprung in Südtirol über Osttirol und Kärnten bis nach Slowenien und Kroatien. Der rührige Landschaftsplaner ist viel unterwegs in diesem Raum, den wenige Osttiroler bisher als Teil der regionalen Identität und Chance für wirtschaftlichen und kulturellen Austausch begreifen.
Die Geschäftsfelder von Revital sind vielfältig. Es geht um Wasserbau und Naturgefahren, Artenschutz, Raum- und Umweltplanung, Waldwirtschaft und Landschaftsarchitektur. Das Spektrum ist so breit wie die Wissens- und Fachgebiete der Mann- und Frauschaft rund um Michor. Viele Gutachten und Planungsvorschläge von Revital haben aus der Sicht der Auftraggeber eine beachtliche wirtschaftliche und politische Tragweite, etwa im Kraftwerksbau.
Deshalb braucht Revital hochkarätige, fachlich unantastbare Spezialisten und hat keine Probleme, sie zu finden. Für einen Job bei Klaus Michor verlegen Botaniker, Kulturtechnikerinnen oder Forstökologen gerne den Wohnsitz nach Osttirol. Das liegt nicht nur an spannenden Berufsperspektiven, sondern auch an einem betrieblichen Umfeld, auf das Michor besonders stolz ist: „Wir haben zum Beispiel 65 Prozent Frauenquote, weil wir flexible Arbeitszeitmodelle anbieten, zum Teil auch die Möglichkeit, zu Hause zu arbeiten.“
Physische Anwesenheit ist in wissensbasierten Netzwerken ohnehin sekundär, die digitalisierte Kommunikation funktioniert auch dann in Echtzeit, wenn Planer und Kunden nicht um einen echten Tisch sitzen, sondern sich per Videokonferenz gemeinsam über eine Landkarte beugen.
„Ich bin ein Herzblut-Öko und zugleich ein Technikfreak“, gibt Michor zu und erinnert sich an seinen ersten Auftrag. „Frisch aus der Hainburger Au bin ich nach Lienz gekommen und hab den ersten Job von Lutz Tagger erhalten, einem Techniker mit Gespür für die Natur.“ Derzeit plant Michor wieder in Lienz, wo im Laufe der nächsten Jahre die Isel auch für ein Jahrhundert-Hochwasser sicher gemacht werden soll, bei gleichzeitiger Aufwertung des städtischen Flussraumes. „Mit geeigneten Maßnahmen könnte Lienz glaubhaft zur Nationalparkstadt“ werden, ist der Landschaftsplaner überzeugt. Dann verabschiedet er sich. „Ich muss los, wir haben gleich eine Skype-Konferenz mit Kunden aus Kroatien.“
Keine Postings
Sie müssen angemeldet sein, um ein Posting zu verfassen.
Anmelden oder Registrieren