„Hermann Pedit lebt in Lienz, einer kleinen Stadt in Osttirol, die trotz alter künstlerischer Traditionen, heute, abgesehen von der Tätigkeit des Sohnes des Malers, Gaudens Pedit, als Sammler und Galerist, relativ wenig im Kunstbetrieb bekannt ist. Nach einer professionellen Ausbildung als Bildhauer und Maler, zog sich Hermann Pedit vom Kunstgeschehen in seine Heimat zurück und baute die Firma seines Vaters aus, sodass er für seine Künste, wie er es selber ausdrückt, zum eigenen Mäzen werden konnte. Seine Familie und ein Freundeskreis bewunderten seine Künste und kauften hin und wieder eines seiner Werke, die er mit unermüdlicher Energie in der Freizeit schuf. Zunächst unglücklich erscheinende äußere Umstände zwangen ihn dann in den letzten Jahren, sich aus der Firma stärker zurückzuziehen und sich völlig der Malerei zu widmen. Die ganze Energie floss nun in die künstlerische Arbeit und schuf ein großes Werk, das in seiner Art einzigartig ist.“
So schreibt Konrad Oberhuber, Direktor der grafischen Sammlung Albertina, 1996 zur Hermann Pedit Monografie. Er bringt damit in zutreffenden und komprimierten Worten die Lebensgeschichte von Hermann Pedit auf den Punkt. Mit der Verleihung des Ehrenringes der Stadt Lienz drückt die „kleine Stadt in Osttirol mit alter künstlerischer Tradition“ Anerkennung und Achtung vor seinem großen Werk aus. Dafür gebührt auch ihr und ihren Verantwortlichen Respekt. Es ist aber nicht nur das einzigartige und große Werk von Pedit, das heute geehrt wird, nicht nur ein großer Künstler. Auch eine einzigartige Lebensgeschichte und eine große Persönlichkeit erhält heute die verdiente Ehre ihrer Heimatstadt.
Für mich ist Hermann Pedit ein Klassiker. Und zwar in mannigfaltiger Hinsicht. Er ist Klassiker als Künstler, weil ihn das Dauernde, die Essenz interessiert, nicht der flüchtige Augenblick, der Zufall. Er ist Klassiker, weil er Charakter im Werk und im Leben zeigt. Pedit wurde hineingeboren in den vom Nationalsozialismus verschuldeten Krieg, der nicht nur ein materielles, sondern auch ein geistiges Trümmerfeld hinterließ. Die künstlerischen Talente konnten sich nach dieser Stunde Null, nach 1945 in den 50iger Jahren, als sich neues Leben in der Kunstszene zu regen begann, entwickeln. Menschlich galt es, mit dem Schicksal der Familie, insbesondere seines Vaters in der Kriegszeit und den Nachkriegsjahren umzugehen.
Die Familie lebte nach dem Grundsatz „Tue Recht und fürchte nichts und niemanden.“ Das war ehrenhaft, ist aber nicht bei jedem Regime gut angekommen. Der Vater war nahezu drei Jahre im Gefängnis, aber er kam ungebrochen mit Haltung zurück, erinnert sich Hermann. Wer ihm, wie ich, beim Erzählen über jene dunklen Jahre zuhörte, bewundert einerseits sein Gedächtnis. Er schildert im Detail harte Familiensituationen, wie zu Ende des Krieges die Flucht als kleines Kind mit der Mutter auf den Gaimberg, als der Vater dem knapp zwölfjährigen Sohn eine Pistole zur Verteidigung der Familie mitgab. Andererseits nimmt man ehrfürchtig zur Kenntnis, wie sich solche Schicksale in das Gedächtnis eines Menschen einprägen. Ich habe Hermann Pedit mehrmals ersucht, seine Erlebnisse niederzuschreiben und für die Nachwelt festzuhalten. Er lehnte es immer ab, wohl weil manches Erlebte noch zu sehr mit der Gegenwart verwoben ist.
Hermann Pedit ist Klassiker, weil seine Arbeiten, so spielerisch sie scheinen mögen, so wenig zufällig, modisch, dafür aber anziehend sind. Wer mit Hermann Pedit über Kunst und andere Künstler spricht, spürt, dass er nicht die manchmal verbreitete Ansicht „alles ist Kunst“ teilt. Kunst kommt für ihn mit Sicherheit auch von Können. Zauber und Intellekt halten sich in seinem Werk die Waage. Seine Arbeiten haben Inhalt, denn Inhalt muss sein, wenn Kunst nicht zu dekorativer Unverbindlichkeit herabsinken soll.
Hermann Pedit ist für mich Klassiker, weil er robust und sensibel zugleich ist. Robust musste Hermann Pedit werden, als Schlosserlehrling im väterlichen Betrieb ohne Privilegien. Im Gegenteil, so manchesmal wurde er väterlich strenger sanktioniert, als seine Arbeitskollegen. Robust und eine beeindruckende Erscheinung war sicher der Student Hermann Pedit in der Meisterklasse für Bildhauerei bei Fritz Wotruba. Das Lehrer-Schüler Verhältnis scheint damals ein anderes gewesen zu sein als heute. Hermann Pedit kann von gemeinsamen Heurigenabenden mit Fritz Wotruba erzählen, auch davon, wie er dem Professor half, weinseligen Wiener Strizzis, die sich dessen junger Frau unbotmäßig näherten, mit Einsatz von Körperkraft zu vertreiben. Nicht dass dies ihm später den „Wotruba-Preis“ eingebracht hätte.Geschadet habe es ihm aber auch nicht, meint er.
Mir selbst ist seine robuste Physis noch in lebhafter Erinnerung, als wir 1994, ich war noch junger Kulturreferent der Stadt Lienz, gemeinsam im Auto nach Malcesine fuhren, wo wir im Schloss eine Ausstellung seiner Werke eröffnen sollten. Die Vernissage am Gardasee war auf 11.00 Uhr am Vormittag angesetzt. Wir fuhren also bereits in aller Herrgottsfrüh um 5.00 Uhr in Lienz los, er Fahrer, ich auf dem Beifahrersitz. Plötzlich, kurz nach Brixen auf der Autobahn, griff Hermann ins Handschuhfach, suchte dort herum und zog eine ordentliche Zigarre heraus. Ich schaute etwas ungläubig, doch er zündete sich die gewaltige Zigarre tatsächlich genussvoll im Auto an, das sich alsbald mit Rauch füllte. Ich wurde etwas grün im Gesicht und wollte die Fensterscheibe ein wenig hinunterkurbeln. Hermann meinte aber nur lakonisch: „Lass lei, ist nur eine leichte Frühstückszigarre.“
Robustheit und Sensibilität treten ganz augenscheinlich in seinem Zyklus „Nacht der Seele“ über die Tragödie des Jugoslawienkrieges der 1990er Jahre zu Tage. „Ich sehe das Leid der Opfer und die Tragödie der Täter, es geht um das Verstehen. Sind die Menschen am Balkan anders? Es wird mir bewusst, wie normal diese Menschen sind,“ schreibt Hermann Pedit im Begleittext zum Katalog für diesen Zyklus. Wieder schaut er in Hintergründe und Abgründe des Menschen und bringt mit den Mitteln des Künstlers das „Homo Homini Lupus est“ – der Mensch ist des Menschen Wolf – erschütternd auf die Leinwand.
Hermann Pedit ist ein Klassiker, weil er kein einfacher, simpler Mensch ist. Mit dem berühmten Sergius Pauser zu brechen, dessen Schüler er an der Akademie war, war nicht undramatisch. Ebenso mutig muss es wohl gewesen sein, als junger Maler medial eine Diskussion mit dem damaligen Kunstpapst Otto Mauer aufzunehmen und die Galerie „Synthese“ als eine Art Gegenpol zu dessen „Galerie (nächst) St. Stephan“ mit einer eigenen Gruppierung von Künstlern zu gründen. Charakter und Mut zeigten sich auch in den achtziger Jahren, mit der konsequenten und letztlich erfolgreichen, gänzlichen Hinwendung vom Industriellen zum Maler. Man ist geneigt, gerade an diesem Ort klischeehaft, weil es so nahe liegt und weil es in Osttirol unter Künstlern halt so sein muss, Parallelen zwischen Albin Egger-Lienz und Hermann Pedit zu suchen. In den Werken vermag zumindest ich sie nicht zu finden, wohl aber im Charakter und der Ernsthaftigkeit der Beschäftigung der beiden mit der Kunst, im Ringen um ihr Opus.
Noch ein Klischee darf ich bemühen: „Hinter jedem erfolgreichen Mann steht eine starke Frau!“ Hier trifft es einfach zu. Hermann Pedit ohne Lis, undenkbar! Wer jemals bei Pedits zu einem Abendessen eingeladen war, hatte nicht nur das Glück, gute Gesellschaft, gutes Essen, anregende Gespräche über Gott, die Welt und die Kunst genießen zu dürfen, sondern auch eine warmherzige, zeitlos schöne, intelligente Frau zu erleben, die kongenial dem Mann den Rücken stärkt. Und die elegant dem Gespräch eine andere Richtung gibt, wenn sie meint, Hermann habe über ein Thema schon zu lange und zu oft gesprochen. Lis gebührt eine „Ehrenperle“ der Stadt.
Lieber Hermann, du bist ein Klassiker und ein verdienter Ehrenringträger der Stadtgemeinde Lienz.
Ein Artikel von Hannes Hibler.
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