Heute führt ein Streifzug den Wanderer ans Iselufer. Eine ruhige Stelle, mit Sicht auf eine Schotterbank, wird als Beobachtungsposten ausgewählt. Das Gletscherwasser fließt ziemlich rasch und fast reißend vorbei. Das gleichmäßige Rauschen beruhigt die Sinne und das Gemüt und bald fühlt man sich als ein Teil des Ganzen. Es ist trüb und regnerisch. Das stört nicht bei der Naturbeobachtung. Im Gegenteil! Die Vögel werden nicht durch menschliches Treiben und Lärmen bei ihrer Nahrungssuche gestört.
Flüsse und Bäche locken die Tierwelt an. Insbesondere die Vögel, weil es dort Nahrung gibt. Speziell im Frühling fallen rastende Durchzügler vermehrt dort ein, bevor sie die Alpen überqueren. Der Frühsommer ist die Zeit der Jungtieraufzucht. Allerdings wird es immer schwieriger, die Vögel auch zu sehen, denn im Blätterwerk der Sträucher und Bäume können sie sich gut dem Betrachter entziehen. Doch die Kenntnis der Rufe und Gesänge sowie das Verhalten der einzelnen Individuen ist äußerst hilfreich bei der Artbestimmung.
Auf den mit Algen und Moosen bewachsenen Ufersteinen wippt eine Gebirgsstelze heftig mit dem Schwanz. Die Italiener haben einen sehr schönen Namen für diese Stelze gefunden: Ballerina gialla – gelbe Tänzerin. Diese Stelze hat nicht gern ihresgleichen im Revier. Sie ist eine Einzelgängerin. Nur dem Brutpartner gestattet sie die Nähe. Als Nistplätze bevorzugt sie Spalten und Löcher im Mauerwerk entlang des Gewässers. „Hididididi“ Rufe eines oder mehrerer Flussuferläufer tönen von der Schotterbank. Er gehört systematisch zu den Limikolen, einer Vogelart, die sich gern am Gewässerrand aufhält. Er fliegt ganz dicht und schnell über die Wasseroberfläche und wippt ständig mit dem Hinterkörper, besonders nach der Landung. Er ist auf Partnersuche und in bester Balzstimmung. Bald stellt sich ein Weibchen ein und beide vollführen das Balzritual, indem sie sich immer wieder verfolgen, flügelspreizend hintereinander her sind und schließlich kopulieren.
Drei bis vier Eier werden auf den kargen Kiesboden in eine flache Mulde gelegt. Das Gelege ist schwer von umgebenden Kieselsteinen zu unterscheiden und so gut getarnt, dass man es eher zertritt als findet. So gegen Ende Mai bis Mitte Juni spielt sich dann ein neues Schauspiel ab: das erwachsene Männchen steht auf einem erhöhten Punkt – vielleicht auf einem auf der Schotterbank angeschwemmten Baumstamm – und hält Wache, damit die Küken erste kleine Gehversuche im für sie neuen Lebensraum unternehmen können. Das Weibchen führt die Jungen eine Zeit lang, füttert sie aber nicht, die Kleinen müssen von Anfang an selbst Nahrung suchen. Die finden sie am Ufer auf Schlick- und Sandflächen, die es mehr an naturbelassenen Fließgewässern gibt. Und bald fliegen sie, wie die „Alten“, knapp überm Wasser hin und her.
Doch schon Mitte Juli machen sich die Weibchen auf den Herbstzug. Da hört man dann des Nachts ihre Rufe an der Isel, denn sie sind Nachtzieher. Ihre Reise endet im Winterquartier in Südeuropa und Afrika. Der Flussregenpfeifer, auch eine Limikole, ist an der Isel nur selten Gast. Flussregulierung, harte Verbauung und schmales Bachbett haben ihm den Lebensraum genommen. Der Flussregenpfeifer ist auf Schotterinseln angewiesen. Sie sollen aber auch sandige Stellen aufweisen und nur spärlich bewachsen sein. Diese Plätze sind an der Isel selten. Vernichten wir sie, ist das Schicksal dieses Vogels besiegelt.
Der Flussregenpfeifer ist etwas kleiner als der Flussuferläufer, hochbeinig, ein bräunlicher Vogel mit weißer Kehle und weißem Bauch. Sein Auge ist gelb umrandet, der Schnabel kurz und schwarz. Er trippelt schnell – mit kurzer Unterbrechung – gern an der Gewässerkante entlang und ruft: „pri pri pri“. Der Zug führt ihn im April durch Osttirol. Vor etlichen Jahren hielt sich ein Paar bis Ende Juni an der Oberlienzer Schotterinsel auf. Gebrütet hat es leider nicht.
Beide Arten, Flussuferläufer und Flussregenpfeifer können geschützt werden, indem der Flusslauf so natürlich wie möglich belassen wird, nicht begradigt, nicht gestaut und wenig Störung durch menschliches Freizeitverhalten ausgesetzt. Schotterinseln dürfen keine Spielwiese für den Menschen sein. Das Anlegen der Boote, das Grillfest ist nicht wünschenswert.
Ein Tag am Fluss ist nicht vollkommen, wenn sich nicht irgendwo am Ufer oder auf einem herausragenden Stein im Bachbett die Wasseramsel zeigt. Der kleine dunkle, ständig knicksende Vogel mit weißem Plastron (so nannte man früher den Brustlatz), belebt die Gewässer so sehr zur Freude des Beobachters. Die Wasseramsel taucht oft für fast eine halbe Minute unter, um Köcherfliegen oder andere Wasserinsekten zu erbeuten. Ihr Gesang ist schon ab Jänner zu hören. Im Juni und Juli sind die Altvögel am sesshaftesten, bleiben im Brutrevier, bevor sie später auf höher liegende Bäche ausweichen. Man hat sie sogar schon bei den Neualplseen auf 2.400 Metern gesichtet. Ein naher Verwandter ist der Zaunkönig, der ebenso in Gewässernähe seinen bevorzugten Lebensraum hat. So klein er ist, so gewaltig ist seine Sangeskraft.
Last but not least sind unsere drei Schwalbenarten zu erwähnen, die Felsen-, die Rauch- und die Mehlschwalbe. Sie halten sich auch gerne an den Flusslauf und sind ständig auf Insektenjagd, um sich selbst und ihre Jungen zu füttern.
Die Hälfte der Fließgewässer und Seen in Europa sind in keinem guten ökologischen Zustand! Diese Tatsache muss uns zu denken geben. Umsomehr sollen wir die noch naturnahe Isel vor unserer Haustür zu schätzen wissen und sie nicht profitgierigen Interessen aussetzen.
Ein Artikel von Annemarie Bachler
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