Dreimal Weihnachten in Bolivien
Die Regierung nützt die Weihnachtszeit gerne für große politische Ankündigungen.
Weihnachten ist die Zeit der großen Worte. Das weiß auch die bolivianische Regierung. An meinem ersten Weihnachtsfest in Bolivien im Jahr 2010 saßen wir am 26. Dezember ungläubig vor dem Fernseher. Dort verkündete der Vizepräsident, dass die Benzinpreise ab sofort angehoben würden, ungefähr auf das Doppelte. Die Bevölkerung war außer sich. Tagelange Protestmärsche folgten, die nur mit Mühe und Not in Schach gehalten werden konnten. Die sozialen Bewegungen, die dem Präsidenten zu seinem Wahlerfolg verholfen hatten, drohten, Morales zu stürzen. Fünf Tage später, am Silvesterabend, nahm der Präsident die Maßnahme zurück. Seitdem verfolgt die Regierung die Strategie, die Benzinpreise nach und nach und ohne großes Aufhebens anzuheben.
Mein nächstes Weihnachten in Cochabamba – 2012: das Jahr der Prophezeihungen vom Weltuntergang, hervorgerufen durch das nahende Ende des Maya-Kalenders. Die Regierung nützte die Weltuntergangsstimmung dazu, eine Großveranstaltung auf der „Sonneninsel“ im Titicacasee zu organisieren. Tausende Menschen aus aller Welt strömten zum Fest der Sommersonnenwende nach Bolivien. Dort erklärte der Außenminister: „Wir leben in der Dunkelheit, im Egoismus und Individualismus. Der 21. Dezember 2012 ist das Ende des Egoismus, das Ende von Coca-Cola und der Beginn des Mocochinchi ...“ Diese „Zeitenwende“ bezeichnete die Regierung mit dem indigenen Ausdruck „Pachakuti“. Und außerdem bewarb der Minister mit dem „Mocochinchi“ ein traditionelles bolivianisches Erfrischungsgetränk. Während die Regierung das indigene Pachakuti verkündete, bevölkerten die wirklich Indigenen die Straßen von Cochabamba, um Weihnachtsgeschenke für ihre Kinder zu erbetteln.
Mein drittes Weihnachtsfest in Bolivien naht. Wie wird es diesmal sein? Nun, die Familie wird sich im Elternhaus versammeln. Der Ablauf unterscheidet sich nicht sehr von einem österreichischen Weihnachtsfest: beten an der Krippe, Christmette, Geschenke, Weihnachtsfestessen. Das traditionelle Mahl schmeckt nach den USA: Ein gebackener Truthahn, serviert mit Preiselbeersauce und Püree aus Süßkartoffeln. Ich werde unter den kritischen Augen meiner Schwägerinnen österreichische Kekse beisteuern. Draußen wird es allerdings keinen Schnee geben und die Temperatur wird wohl auf 35 Grad Celsius klettern. Es wird sich eigenartig anfühlen, Palmen mit Weihnachtsbeleuchtung zu sehen.
Was der Präsident wohl dieses Jahr an großen Worten vorhat? Hoffentlich müssen wir dieses Jahr nicht gegen Zwangsmaßnahmen auf die Straße gehen. Und hoffentlich können wir ein Gesprächsthema vermeiden: Im Februar wird es eine Volksabstimmung geben, durch die der Präsident die Verfassung ändern will. Der Grund der Änderung ist, dass er 2020 eine vierte Amtszeit anhängen will.
Meinem Mann und mir bleibt eine Hoffnung: Wenn es das Fremdenrecht so will, verbringen wir die nächsten Weihnachten in einem weniger konfliktgeladenen Umfeld.
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