Tourismusforscher: Osttirols Randlage ist eine Chance
Abgeschiedenheit als Basis für exklusiven Winter-Trendsport.
Am 11. Dezember beginnt das 3. „Austria Skitourenfestival“ in Lienz mit dem Vortrag von Bergsteiger-Ikone Reinhold Messner im Stadtsaal. Bereits am 9. Dezember referierte im Saal der Wirtschaftskammer und im Rahmen der Vordenker-Bewegung der Schweizer Tourismusforscher Roland Zegg über die Chancen alternativer Wintersportarten.
Zegg studierte an der ETH Zürich Maschinenbauingenieur und technische Betriebswissenschaften, dissertierte mit einer Forschungsarbeit über die Schweizerische Hotellerie, gründete 1987 die grischconsulta AG und rief das TFA, Tourismus Forum Alpenregionen ins Leben. Der ehemalige Skirennfahrer und Skischulleiter zählt zu den gefragtesten Beratern in Sachen Alpintourismus und stellte in Lienz klar: „Mit dem alpinen Skifahren alleine wird keine Tourismusdestination künftig ihre wirtschaftlichen Erfolge halten können.“ Zegg, der als Vordenker für viele Tourismusregionen tätig war, unterstrich: „Der alpine Skisport weist ein schrumpfendes Potential auf. Auch der Schulskisport ist stark rückläufig. Tourismusregionen müssen sich nach alternativen Angeboten, wie das Skibergsteigen, Schneeschuhwandern etc., für Familien umsehen.“
Die Randlage Osttirols sieht Zegg nicht als Nachteil: „Diese Randlage bietet die größere Chance. Osttirol mit der traumhaften Bergwelt, der frischen Luft, den abgeschiedenen Tälern liegt abseits der Pistenautobahnen und des Massentourismus und könnte eine ähnliche Entwicklung wie Zermatt nehmen. Zermatt war nicht mit dem Auto erreichbar und hat sich mittlerweile zu einer der weltweit bekanntesten Destinationen für Wintersport inklusive Trendsportarten entwickelt.“
In die selbe Kerbe schlug im Anschluss an den Impulsreferenten Polizeikommandant Silvester Wolsegger. Als Absolvent des Uni-Lehrgangs "Sports, Health, Entrepreneurship" hat er eine Masterarbeit zu einem Thema verfasst, das in Osttirol immer wieder diskutiert und mit dem Tourenfestival und diversen Sportevents auch zelebriert wird: "Skibergsteigen – Entwicklung einer touristischen Gesundheitsregion".
Ein Posting
Zermatts Tourismushistorie, die vor allem mit der Erschließung des Gebietes durch ein vielfältiges Bergbahnangebot schon im 19. Jahrhundert ihren Ausgang nimmt, als Paradebeispiel für ein bisher in Osttirol ungehobenes Bergsportpotential zu betrachten, halte ich für mutig. Eine der Besonderheiten Zermatts ist unter anderem die seit 1931 verordnete Autofreiheit im Ort selbst.
Ein Konzept das sich sehr erfolgreich die Tiroler Tourismusregion Serfaus-Fiss-Ladis zu Eigen gemacht hat. Die historischen Entwicklungsmöglichkeiten, die Zermatt wintertouristisch seit den frühen 1920er Jahren konsequent ausgebaut, genützt und durch eine alpine Gunstlage im Umfeld von 28 Viertausendern und etlichen Gletscherskigebieten auch in Zeiten fortschreitenden Klimawandels wohl auch noch prolongieren wird können, hat Osttirol leider nicht.
Zegg ist recht zu geben, dass der alpine Skisport trotz anderslautender Beteuerungen wie etwa denen des Tourismusprechers der Wirtschaftskammer Franz Hörl ein schrumpfendes Potential darstellt. Die sinkende Wertschöpfung auf diesem Gebiet ist seit einigen Jahren Fakt, auch bedingt durch die immer größeren Aufwendungen im Zusammenhang mit Schneeerzeugung, Pistenpräparation und Innovationsdruck bei Aufstiegshilfen. Dies ist von vielen arrivierten Wintersport-Destinationen auch und besonders in Gunstlagen, wie etwa in Lech am Arlberg, schon erkannt worden. Demensprechende Alternativprogramme werden dort seit langem angeboten und zeigen Wirkung.
Osttirol stellt insofern einen gewissen Ausnahmefall dar, als die Umsätze gerade im Wintersportbereich in den vergangenen Jahren eminent gestiegen sind. Dies ist vor allem auf höherer Investitionen in Aufstiegshilfen wie auch in die notwendige Hotelinfrastruktur zurück zu führen. Für Randlagen wie Kals und Obertilliach lassen sich stetig steigende Nächtigungszahlen ablesen, die Zeggs Analyse zum Teil recht geben, andererseits aber auch mit Investitionen verbunden sind, die einnahmenseitig noch nicht den gewünschten Erfolg zeitigen, wie die Abschreibungen der Kalser Bergbahnen zeigen.
Die Nationalparkregion könnte zu einem interessanten Anlaufpunkt werden, so vergleichbare Investitionen in tälerübergreifende alternative Verkehrssysteme geleistet werden, die ganztätig interessierten Gästen den Zugang zu Tourenzielen niederschwellig in kurzen Zeitintervallen anbieten. Ähnliches gilt für hochgelegene Seitentäler, in denen über die Saison hinweg Schneegarantien gleistet werden können. Als Destination auf der Südalpenseite, die zwar über eine Fülle von 3.000ern verfügt, aber nicht stetig beste Schneeverhältnisse anbieten kann, wird einiges mehr im Angebotsportfolio von Nöten sein, als die erwähnten, schon jetzt angebotenen Schneeschuhwanderungen.
Das Vorbild Zermatt ist durchaus nachahmenswert. Nur darf dabei nicht außer Acht gelassen werden, welche Investitionen in Bezug auf Ortsplanung, Angebotserstellung und auch und vor allem der verkehrstechnischen Erschließung der Erhohlungsräume geleistet werden muss, um dieses Ziel zu erreichen. Zeggs Vergleich hinkt an vielen Fronten. Trotzdem ist er wertvoll, um Perspektiven zu erkennen und Potentiale zu heben.
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