Mehr Leben im Haus: Khalid und Ashi
Seit September ist neues Leben bei Anni und Günther Bachlechner eingekehrt.
In ihrem Haus in der Wartschensiedlung in Gaimberg haben die Bachlechners, die Wirte der Faschingalm, zwei Flüchtlinge aufgenommen und kümmern sich liebevoll und familiär um diese. „Hier haben wir Namen bekommen. Wir sind nicht mehr nur ‚die Flüchtlinge’“, sagen Khalid und Ashi unisono.
Die beiden jungen Männer könnten kaum unterschiedlicher sein. Khalid ist 21 Jahre alt und kommt aus Mogadischu, der Hauptstadt Somalias. Er ist ein extrovertierter und sensibler Paradiesvogel, der gute Laune verbreitet und auffällt. Der freundliche 19-jährige Ashi aus der Fataregion in Pakistan hingegen ist ein ruhiger, etwas ernsterer und bodenständiger Typ.
Die beiden lernten sich während ihres fünfmonatigen Aufenthalts im Flüchtlingsheim in Prägraten kennen und sind seitdem unzertrennlich wie Brüder. Sie ergänzen sich und gehören einfach zusammen. Hört man ihre Geschichten über die Flucht aus ihrer Heimat und über die Torturen, die sie erleben mussten, bis sie schließlich in Österreich waren, bekommt man Gänsehaut und könnte allein damit Bücher füllen. Von tagelangen Fußmärschen, gefährlichen Bootsfahrten, überfüllten Autos, Kälte und anderen schwierigen Bedingungen erzählen sie. Persönliche Dinge und Kleidung mussten sie dabei zurücklassen, dafür wäre auf den Transportmitteln kein Platz gewesen.
Bei der Frage, warum sie flüchteten und alles Vertraute hinter sich ließen, sind sich beide trotz unterschiedlicher Situationen in ihren Heimatländern einig: Sie waren auf der Suche nach einer Zukunft, nach Frieden und nach Freiheit. Wo sie lebten, kannten sie nur Krieg. Es gehört viel Mut dazu, den Schritt zu wagen und die eigene Familie hinter sich zu lassen, um ins Ungewisse aufzubrechen. Es wirkt allerdings so, als hätten sie nicht viel zu verlieren gehabt.
In Prägraten trafen die beiden auf eine gute Seele, ohne die sie heute nicht hier wären: die Tochter der Bachlechners, Bettina Huber. Sie wohnt in Virgen und ist ehrenamtlich im Flüchtlingsheim in Prägraten und mittlerweile auch Virgen als Deutschlehrerin tätig. Mit Khalid und Ashi stimmte die Chemie sofort.
Die Gemeinde in Prägraten sei sehr bemüht und freundlich gewesen, erzählen sie. Nur intern im Haus war die Situation manchmal etwas schwieriger, da so viele Kulturen und Hintergründe auf engstem Raum zusammentreffen. Gerade Khalid, der durch sein recht schrilles Auftreten besticht, litt stark unter der Situation dort.
Bettina überlegte daher, ihn bei sich in Virgen aufzunehmen, doch die räumliche Situation in ihrem Haus war nicht dafür geschaffen. Daher schlug sie es ihrer Mutter vor, die sofort einlenkte. Bei Günther dauerte diese doch schwerwiegende Entscheidung noch etwas, aber schließlich war auch er einverstanden. Für Ashi und Khalid war die Trennung allerdings sehr schmerzlich. So entschieden sich Bachlechners kurzerhand, auch Ashi bei sich aufzunehmen.
Ob es ein großer Papierkrieg war? Und ob sie viele Vorkehrungen treffen mussten? Anni Bachlechner verneint: „
Es gibt nichts Einfacheres!“ „Ihre Buab’n“, wie sie sie nennt, haben zwei Zimmer im oberen Stock des Hauses zu Verfügung. Auch eines würde reichen, denn von Zuhause sind sie es gewohnt, sich Zimmer zu teilen, und sie genießen auch den Zusammenhalt. Man merkt, die ungewöhnliche Wohngemeinschaft funktioniert sehr freundschaftlich.
Anni möchte auch anderen zeigen, wie einfach es ist, Flüchtlinge aufzunehmen, und welche Bereicherung dies sein kann. Sie genießt die Aufgabe sichtlich. Man müsse natürlich schon jemanden finden, der zu einem passt, sagt sie, „bei diesem engen Zusammenleben“. Das scheint in dieser Familie jedenfalls gelungen zu sein!
Aufsichtspflichten haben Anni und Günther keine zu erfüllen, und doch ist es für sie selbstverständlich, sich um die beiden zu kümmern. Ashi und Khalid sagen selbst, es sei wie ein zweites Aufwachsen, sie müssen so viel neu lernen. Neben der Sprache gehörten anfangs auch so banale Dinge, wie das Essen mit Besteck, das sie nicht gewohnt waren. Auch den Umgang und die Wertschätzung für Geld und Ressourcen wie Strom und Wasser hätten die beiden laut Bettina erst lernen müssen. „Wir leben im Verhältnis zu ihrer Heimat in solch einem Überfluss, dass sie erst lernen mussten, damit sparsam umzugehen und zu verstehen, dass nicht alles umsonst ist“, erzählt sie.
Die beiden Männer sind dankbar für jede Kritik und setzen diese sofort um, das macht das Zusammenleben entspannt, da sind sich alle einig. Sie helfen im Garten und im Haushalt mit und sind auch sonst „höflich, hilfsbereit und ordentlich“, wie Anni erzählt.
„Oma“ sei die beste Köchin, sind sich Khalid und Ashi wiederum einig. Dass sie Anni und Günther „Oma und Opa“ nennen, kommt daher, dass es in ihrer Kultur respektlos wäre, ältere Personen beim Vornamen anzusprechen. Anni und Günther haben nichts dagegen und wenn man ihr nettes Verhältnis beobachtet, ist es sehr passend.
Mit Anni wird viel gelacht und gescherzt und Günther hat den etwas strengeren Part übernommen, den es laut Anni auch manchmal braucht.
Die jungen Männer sind Moslems, aber sie interessieren sich sehr für die Gewohnheiten ihrer Gastfamilie. Diesen Sonntag wollen sie mit Anni in die Kirche mitkommen.
Beide durften bereits bei heimischen Betrieben Arbeitserfahrung sammeln.
Khalid möchte Stylist oder Model werden und durfte bei Reiter Karin im Friseursalon in diese Welt hineinschnuppern. Ashi ist handwerklich geschickt und durfte in der Tischlerei Tschapeller schnuppern.
Sein Traum wäre es, Architekt oder Ingenieur zu werden. Beide waren erfüllt von diesen Aufgaben und sind hellauf begeistert von den Betrieben. Die Arbeitgeber waren überaus zufrieden und vom großen Einsatz der beiden sehr angetan.
Eine Lehre in diesen Bereichen wäre für die Zwei der größte Wunsch. Da stehen allerdings Gesetze und Bürokratie noch im Weg. Zurzeit dürfen sie nicht einmal freiwillig tätig sein und können nur abwarten, wie es weitergeht.
Das Wichtigste ist derzeit das Deutschlernen, obwohl sie es für die kurze Zeit in Österreich schon beeindruckend beherrschen. Dafür gehen sie zweimal wöchentlich ins Klösterle, wo sie mit anderen Männern unterrichtet werden.
Anni ermahnt die beiden scherzhaft, dass es nun ernst werde mit dem Deutschlernen. Die beiden schütteln brav den Kopf und versprechen es per Handschlag.
Khalid hat sich auch schon in der Lebenshilfe Osttirol engagiert, wo er weiterhin als Helfer gern gesehen wäre. Das Singen und Tanzen mit den Klienten hat scheinbar richtig Schwung gebracht und Anklang gefunden. Außerdem tanzt er in seiner Freizeit bei Stylefly. Ashi bekommt von einer hilfsbereiten Frau kostenlosen Gitarrenunterricht. Mit ihrem Geld müssen sie gut haushalten. Sie bekommen monatlich 200 Euro. Die Bachlechners bekommen 120 Euro pro Flüchtling als Betriebskostenzuschuss.
Unverständlich ist Anni, dass umliegende Gemeinden noch keine Flüchtlinge aufgenommen haben.
Ärgern kann sie sich über die Kritik, dass Asylsuchende nur am Iselkai herumlungern würden. Dass sie nicht arbeiten dürfen, scheint bei vielen noch nicht angekommen zu sein und ein soziales Zusammenleben empfindet sie als das Normalste der Welt. Ashi und Kahlid sind den Bachlechners spürbar dankbar für die Möglichkeit, die sie bei ihnen erhalten haben.
10 Postings
@Osttiroler9900: Wie kann man nur um 7.05 Uhr am Morgen schon so bösartig zum stänkern aufgelegt sein? @nanny: Danke, Ihre Kommentare sind immer wieder lesenswert.
Vorweg: die Aufnahme der beiden jugendlichen Flüchtlinge durch die Familie Bachlechner ist eine mutige und couragierte Aktion. Meine Hochachtung. Viele positive Kommentare sind aber alles andere als tolerant denen gegenüber, die abwartend und skeptisch der Gesamtsituation mit den riesigen Flüchtlingsmassen - jetzt natürlich nicht rein osttirolerisch gedacht, da ist ja alles noch überschaubar - gegenüberstehen. Fällt mir überhaupt auf: Viele, die Toleranz einfordern, sind selber alles andere als tolerant. Lösung gibt es kaum für das Problem, es wird uns überrennen. Man kann nur hoffen, dass die Veränderungen, die uns alle betreffen werden, nicht - in Jahren gedacht - uns total überfordern und in einem Chaos enden.
Finde Die Aktion von Fa. Bachlechner bemerkenswert. Meine Hochachtung.
@Osttiroler9900 - Was willst du mit deinem Posting genau sagen? Nur 5(jetzt schon 7 inkl. meinem) positive Kommentare, d.h. deiner Meinung nach alle die nicht posten sind dagegen? Oder meinst du, negative Meinungen werden unterdrückt, bzw. wer muss Angst haben seine Meinung zu schreiben? Oder meinst du - wie schon Instinktivist fragt - wieviele der ca. 50.000 Einwohner Osttirols für oder gegen diese Aktion sind? Bitte um Aufklärung, so ist dein Posting für mich unverständlich.
@Osttiroler9900: Wie viele sind es denn? Ich finde es beeindruckend, was da im Hause Bachlechner passiert und ich kann nur sagen BRAVO! Es gab in der Vergangenheit wenige Dinge, die mich ähnlich beeindruckt haben. Immer Negatives zu suchen, ist wohl keine Lösung.....
Schon komisch nur 5 positive Kommentare, haben sie Angst zuzugeben wieviele Osttiroler anderer Meinung sind?
Echt eine tolle Sache. Gratulation an Familie Bachlechner, man sieht das Integration möglich ist und das die beiden jungen Männer bestimmt eine gute Zukunft vor sich haben.
Fam. Bachlechner: Danke! Dolomitenstadt: Danke! Ein Beispiel für Nächstenliebe und Toleranz; es gibt uns wieder den Glauben an ein christliches und humanistisches Osttirol.
Ein dickes Lob an die Fam. Bachlechner !!!!
Nachahmenswert !!!!
Super, Familie Bachlechner!! Sie sind ein großes Vorbild!!!!
Großes Lob der Familie Bachlechner! Auch ich betreue drei jugendliche Flüchtlinge und kann die positiven Erfahrungen der Bachlechners nur bestätigen.
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