„Man muss das Thema sachlich angehen!“
Asylwerber in weiteren Gemeinden Osttirols? – Im Gespräch mit Osttiroler Bürgermeistern.
Ein Freitag Morgen in Osttirol. Traumhaftes Wetter und das Wochenende naht. Probleme scheinen weit weg, Elend noch viel weiter. Doch auch heute werden sich Menschen auf die Flucht machen müssen, auch in Richtung Europa, und wie jeden Tag wird ein Teil von ihnen dabei ums Leben kommen. Währenddessen wird die Situation in den Erstaufnahmezentren in Österreich auch nicht einfacher.
In Lienz, Dölsach und Prägraten sind Asylwerber untergebracht. Wie sieht es in den anderen Gemeinden aus? Wir haben einige Osttiroler Bürgermeister angerufen und gefragt, wie sie glauben, dass die Bevölkerung in ihrer Gemeinde auf unterzubringende Asylwerber reagieren würde. Wir fragten auch, wie die Bürgermeister selbst dazu stehen und ob es leerstehende Räumlichkeiten gibt. Gleich vorweg: Einige Bürgermeister waren nicht erreichbar, andere auf Urlaub und jemand rief dann doch nicht zurück, nachdem das Thema klar geworden war.
Das Ergebnis der kurzen Gespräche wirft auf die Realität in Österreich zurück: Die Bürgermeister nehmen die Verantwortung wahr, die wir in Österreich oder in Europa haben. Amlachs Bürgermeister Franz Idl sagt, dass sogar„der Westen in den Ländern im Süden sehr viel gutzumachen hat“. Ein geeignetes leerstehendes Gebäude gibt es trotzdem in kaum einer Gemeinde. Am klarsten war die Antwort in St. Jakob. Bürgermeister Gerald Hauser winkt ab: „Diese Frage stellt sich derzeit nicht“ und wollte die „fiktive Diskussion“ nicht führen. Da seine Gemeinde so klein sei, sei sie nicht von der Quotenregelung betroffen. Man hat zwar schon im Gemeinderat darüber gesprochen, aber sich darauf geeinigt, dass „kein Wunsch vorliegt, in der Gemeinde Asylwerber zu haben“.
Ganz anders die Reaktionen in anderen Gemeinden Osttirols, darunter Hopfgarten, Virgen und Matrei. Hier hat man längst Lösungen angedacht. In Hopfgarten kann sich Bürgermeister Franz Hopfgartner nicht nur vorstellen, tätig zu werden, sondern es gibt ein konkretes Gebäude, das Vidum der Pfarre, in dem bereits eine Unterbringung mit der Bezirkshauptmannschaft abgesprochen war, doch die Asylwerber kamen schließlich nach Lienz. Eine Familie oder fünf bis sechs Personen sieht der Bürgermeister als gute Zahl an und er glaubt, die Hopfgartner würden das positiv beurteilen.
In Virgen meint Dietmar Ruggenthaler, dass die Bevölkerung "so sensibel und sensibilisiert" sei, dass er auch kein Problem sehe, vorausgesetzt, dass die Anzahl der Asylwerber in einem guten Verhältnis zur Anzahl der Bevölkerung stehe. Während das recht theoretisch klingt, sind die Pläne schon wesentlich konkreter: "Man muss das Thema sachlich angehen", sagt Ruggenthaler und in diesem Sinne werden aktuell einerseits Objekte privater Besitzer vom Land Tirol geprüft und andererseits hat der Gemeinderat beschlossen, dass man das ehemalige Gendarmeriehaus zur Verfügung stellen würde. Einziger Haken: Die Adaptierungskosten kann Virgen nicht selbst übernehmen, doch das ließe sich lösen, meint Ruggenthaler und fügt hinzu, was ihm wichtig wäre: Die Bevölkerung muss genau informiert werden, es sollten positive und negative Erfahrungen anderer Gemeinden vorgestellt und Empfehlungen gegeben werden, sodass man "nicht bei Null anfangen muss".
Matreis Bürgermeister beantwortet die Fragen in gewohnt großem Stil. Schon im Frühjahr hat Andreas Köll gegenüber der Landesregierung von "ethischen Quoten" gesprochen. "Von rechtlichen Quoten halte ich nämlich nichts", erklärt er und fügt hinzu: "Es muss eine größere Bezirkslösung geben" und dafür hat er sehr genaue Vorschläge: Einerseits soll in Lienz die Franz-Joseph-Kaserne adaptiert werden (ansonsten das ehemalige Bundeskonvikt) und andererseits sollen die Marktgemeinden Sillian, Nußdorf-Debant und Matrei Container aufstellen. Alle Gemeinden sollen das mittragen. "Kleine Symbole sind wichtig, aber zuwenig", setzt Köll fort. Auch private Initiativen, oder hier eine Familie unterbringen und dort eine, seien höchstens "der Tropfen auf den heißen Stein". In Matrei gäbe es noch das Vidum, aber oft werde "zuwenig großzügig gedacht", sagt Köll. Für einen Container in der Gemeinde Matrei hat man schon mit einem Grundstücksbesitzer in Huben verhandelt. Es gäbe die Verkehrsanbindung und alles Notwendige ließe sich einrichten. Man sei bereit und habe viel Erfahrung mit Flüchtlingen – in Matrei bekanntlich schon seit den 1970er Jahren. Jetzt sei das Land am Zug, denn auch in Virgen warte man schon länger auf Antwort, sagt Andreas Köll.
In anderen Gemeinden sieht man die Verantwortung auch, doch leerstehende Häuser scheint man keine zur Verfügung zu haben. Manch konkrete Objekte wurden bereits angeschaut – zum Teil auch von der Bezirkshauptmannschaft. Doch die Häuser waren am Ende doch nicht verfügbar oder zu baufällig. Manche hatten kein Wasser, keinen Strom, andere entsprachen nicht den Standards der Tiroler Bauordnung. Auf die Bauordnung wiesen sowohl Andreas Pfurner, Bürgermeister von Nußdorf-Debant als auch Tristachs Bürgermeister, Markus Einhauer hin, die meinten, es sei fast unmöglich, Häuser zu finden, die den geforderten Standards entsprächen. Einhauer könnte sich vorstellen, mit der Bevölkerung gemeinsam Häuser herzurichten, auch als ein Zeichen für Integration. Er stellte auch fest, dass er glaube, ein Großteil seiner Gemeinde würde Aslwerber im Ort „goutieren". "Vorausgesetzt, dass sie vernünftig betreut würden“, und darunter versteht er, dass es Hilfestellung und Integration gibt und nicht einfach nur die Unterbringung.
In noch einem Aspekt war man sich einig: Die Bevölkerung müsse früh genug und genau informiert werden, dann wäre es leichter. In der Gemeinde Leisach hat Bürgermeister Dietmar Zant schon einmal „leise vorgefühlt“. Er hat mit einigen Hausbesitzern gesprochen und hatte insbesondere ein ehemaliges Gasthaus dafür im Blick, doch der Besitzer habe nicht darauf reagiert. Dafür tut man etwas anderes: Asylwerber werden für kurze Zeit über die Gemeinde bei Betrieben angestellt, etwa auf der Baustelle, und seien daher versichert. Das sei ein Anfang, nicht mehr, meint der Bürgermeister.
In Nußdorf-Debant gibt es zwar anscheinend auch kein leerstehendes Gebäude, dafür sind im SOS-Jugendhaus drei minderjährige Flüchtlinge untergebracht. Dort hat man ebenso gute Erfahrungen gemacht, wie mit jenen jungen Asylwerbern, die in Dölsach untergebracht sind und in Debant in die Schule gehen. Man verfüge über sehr gutes Lehrpersonal und die Kinder selbst würden „unheimlich schnell Deutsch lernen und sich gut integrieren“, sagt Pfurner. In diesem Bereich sei in Nußdorf-Debant noch Potenzial vorhanden.
Zu tun, da sind sich wieder alle einig, gibt es noch genug, das Thema wird bleiben und größere Lösungen werden notwendig sein – sie sind es schon jetzt.
4 Postings
Unzählige Österreicher sind in den letzten Kriegen geflüchtet und haben eine neue Heimat gefunden. Ebensoviele unserer Landsleute arbeiten und leben aus den verschiedensten Gründen im Ausland und sind froh dort integriert und akzeptiert zu sein. Es ist sehr traurig wie groß die Ablehnung gegenüber diesen armen Menschen ist. Ich finde auch, dass die Kaserne und das leer stehende Konvikt gute Möglichkeiten bieten um Menschen den Start in ein neues Leben ohne Todesängste zu ermöglichen. Es gibt so viele gemeinnützige Vereine die dringend Hilfe benötigen - dort könnten diese Menschen im Rahmen der gesetzlichen Beschäftigungsmöglichkeiten - eingesetzt werden. Wäre es nicht auch möglich, unseren Landwirten mit den Flüchtlingen Helfer zur Seite zu stellen, die sie in der täglichen, sehr mühevollen Arbeit unterstützen und für Essen und ein bisschen Taschengeld so ihren Tag sinvoll gestalten zu können...... Neben Deutschkursen könnten doch auch paralell z. B. Krankenpflegeausbildungen angeboten werden - dann müssten nicht so viele rumänische 24Stunden Pfleger für kurze Zeit nach Österreich gebracht werden sondern es könnten Flüchtlinge so ein neues Zuhause mit sehr sinvollen Aufgaben finden. Möglichkeiten gibt es sicher sehr viele ......
8,8 Flüchtlinge dem Pfarrer und seiner Köchin unterzujubeln, ist nicht schön, wäre aber hilfreich. Alternativen und Angebote in Lienz gibt es jede Mange, die sind halt erheblich teurer.
In Lienz, Abt. Soziales, schläft man auch ein wenig und agiert so schwerfällig wie ein Elefant. Gewollt oder ungewollt wage ich nicht zu beurteilen. Angesichts der Tatsache um die Flüchlingsdramen unverständlich und unerträglich!
Zitat aus:
Protokoll Nr. GR/004/2015 Zahl: 004-1/2015
Betr.: Öffentliche Gemeinderatssitzung am 02. Juni 2015 über die öffentliche Gemeinderatssitzung am Dienstag, den 02. Juni 2015 im Sitzungszimmer der Gemeinde St. Jakob/Def. 4) Anfrage von Bürgermeister – soll Asylthema im Gemeinderat diskutiert werden
4) Bgm. NR Mag. Gerald Hauser fragt den Gemeinderat, ob Interesse besteht das Asylthema in einem eigenen Tagesordnungspunkt in einer der nächsten Sitzungen zu behandeln.
Es herrscht im Gemeinderat Einigkeit, dass an einer solchen Diskussion im Gemeinderat kein Bedarf besteht.
nur eine Info am Rande (hat nichts mit dem Thema zu tun): das "Widum" gibts im Duden, das "Vidum" hab ich im lateinischen und im lettischen Wörterbuch gefunden - mit ganz anderen Bedeutungen. http://www.duden.de/suchen/dudenonline/widum
„kein Wunsch vorliegt, in der Gemeinde Asylwerber zu haben“ Mit (unter anderem) solch einem Gedanken die Unterbringung von Asylwerbern bzw. die Diskussion darüber abzuweisen halte ich in heutigen Zeiten leider fehl am Platz. Leider in dem Sinne, als dass es mir lieber wäre, wenn nicht so viele Menschen aus ihrer Heimat fliehen müssten. Natürlich ist mir bewusst, dass die Flüchtlinge mit ihrer anderen Sprache und anderen Kultur von vielen nicht mit offenen Händen empfangen werden, das fordere ich aber gar nicht (auch wenn ich es mir wünschen würde). Ich fordere nur, sich nicht (mehr) zu verschließen und anschließend zurückzulehnen („Diese Frage stellt sich derzeit nicht“). Denn Tragödien wie sie sich regelmäßig im Mittelmeer abspielen oder zuletzt im LKW auf dem Weg nach Burgenland hätten zu einem großen Teil verhindert werden können, stattdessen war das Handeln der Politik aber durch effektive Untätigkeit geprägt. Auch wenn es sich niemand gewünscht hat, nicht zu wünschen alleine („kein Wunsch vorliegt, in der Gemeinde Asylwerber zu haben“) reicht eben nicht (siehe auch die furchtbaren Umstände in Traiskirchen). Und selbst wenn etwa eine Familie „der Tropfen auf den heißen Stein“ ist, so hat es einerseits den Symbolcharakter, dass es in einer Gemeinde heißt "ja, wir sind bereit dafür" und andererseits ist es für die Familie selber alles andere als ein Tropfen auf den heißen Stein. Viele Tropfen zusammen können außerdem auch viel Wasser ergeben: Wenn in Österreich jede der 2100 Gemeinden mindestens 1 oder 2 Familien und/oder Einzelpersonen aufnehmen würde, käme man locker auf über 30.000 Plätze, die sozial problemlos möglich sein sollte. Damit würde man zumindest größenordnungsmäßig in der Gegend der Asylsuchenden sein und das ohne Problemfälle wie Traiskirchen. Es müssten aber alle Gemeinden mit anpacken (auch die 434 mit weniger als 1000 Einwohnern). Auch wenn politisch auf höherer Ebene viel danebengegangen ist freut es mich aber trotzdem, dass es auch positive Beispiele und Gemeinden und Bürgermeister gibt, die aufstehen und aktiv werden.
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