Der Blick der „Gringa Cochala“
Ich bin inzwischen Teil einer bolivianischen Familie – mit Vorbehalten.
Vom Plakat für eine große bolivianische Telefongesellschaft lächelt eine hellhäutige Brünette mit grünen Augen. In der Fernsehwerbung serviert eine schlanke, weiße Mutter ihrer Familie Coca Cola. Ich lebe in einem Land, in dem die Hellhäutigen bevorzugt werden. Oft sehen mich Kinder auf der Straße staunend an und die Marktfrauen begrüßen mich mit einem freundlichen „Was willst du denn kaufen, Bonita?“
Zu den Hellhäutigen zählen auch die „Gringos“, die Ausländer aus Nordamerika oder Europa. Denen kann man ab und zu ein paar Groschen mehr abknöpfen und Ware schlechterer Qualität verkaufen. Abgesehen davon werden Gringos von vielen als gebildeter und moderner als die Bolivianer angesehen. Viele Bolivianer träumen von einem Leben in Europa oder Nordamerika. Daran hat auch der indigene Präsident Evo Morales bisher nichts ändern können.
Ich bin eine Gringa, aber nicht nur das. Es stört mich, wenn beim Essen nicht die scharfe Sauce „Llajua“ am Tisch steht. Wenn mich jemand unhöflich anredet, antworte ich mit einem breiten „Que cosa?“ (Was ist los?). Ich schimpfe über den Präsidenten und die Drogenbosse. Ich überquere die Straße im Zickzack zwischen den fahrenden Autos. Sonnencreme verwende ich schon längst nicht mehr. Darum sagt mein Freund mit Stolz: „Meine Freundin ist schon mehr Cochala als ich.“ Mit „Cochalos“ sind die Bewohner von Cochabamba gemeint, der bolivianischen Stadt, in der ich derzeit wohne.
Ich habe mich an das Leben in Cochabamba gewöhnt. Ich mag die Berge, das Klima und das reichliche Essen. Ich bin Teil einer bolivianischen Familie geworden. Doch an eines kann ich mich nicht gewöhnen: den Rassismus im bolivianischen Alltag. Es schmerzt mich, wenn dunkelhäutige Kinder hinter vorgehaltener Hand als hässlich bezeichnet werden. Es tut weh, wenn ein Verwandter einen indigenen Aymara oder Quechua auf der Straße erblickt und zu mir meint: „Schau dir dieses Monster an.“
Aber den Bolivianern fällt dieser Alltagsrassismus gar nicht mehr auf. Von klein auf lernen sie, dass man sich mit den Indigenen nicht anfreundet. Die Kinder der indigenen Bevölkerung haben nichts in Privatschulen und auf Kindergeburtstagen der Weißen zu suchen. Und wenn doch eine indigene Familie Geld für eine bessere Schule hat, wird gemunkelt, dass dieses Geld sicher aus illegalen Quellen wie dem Drogenhandel oder dem Schwarzmarkt stammt.
Cochabamba bezeichnet sich gerne als die schönste Stadt Boliviens, als das „Herz der Mutter Erde“, aber in Sachen Rassismus hat die Stadt ein hässliches Gesicht.
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