Pflegende Angehörige: „Ich bin nicht allein!“
Die Selbsthilfe Osttirol bietet ab September wieder Fortbildungsseminare an.
Es kann von einem Tag auf den anderen gehen: Ganz plötzlich befindet man sich in der Situation, Angehörige pflegen zu müssen. Im besten Fall gibt man diese Hilfe gerne, doch woher soll man wissen, was wann und wie zu tun ist? Welche Handgriffe können beiden Seiten die Pflege erleichtern? Welche Hilfsmittel gibt es? Und wer einmal die Listen der Pflegestufen gesehen hat, weiß, dass es nicht einfach ist, sich auszukennen und die richtige Wortwahl zu treffen, um jene Pflegestufe zu erhalten, die die betroffene Person bräuchte.
Dieses Gefühl der Ohnmacht, des Nicht-mehr-weiter-Wissens und die vielen auftauchenden Fragen haben dazu geführt, dass die Selbsthilfe Osttirol eine Modulserie entwickelt hat, die pflegenden Angehörigen helfen soll, sich im Alltag zurecht zu finden. Fachleute halten die neun Module jeweils in Lienz, Matrei und in Sillian ab. Das alles – und das ist den Organisatorinnen wichtig – in einer Sprache, die Laien verstehen. Es geht nicht um eine komplette Ausbildung, sondern um die Erleichterung des Alltags, um Einschulung in wichtige Aspekte der Pflege und um Sicherheit im Tun. Vor allem aber, so betont Inge Tagger, die als Krankenschwester selbst ein Modul hält, ist ein wichtiger Aspekt "das Treffen von ebenfalls Betroffenen. Auch wenn jede Situation individuell ist, hilft es mit Menschen zu sprechen, die Ähnliches erleben." Christl Rennhofer-Moritz pflichtet ihr bei: "Manche kommen auch ein zweites oder drittes Mal zum gleichen Seminar, einfach weil sie mit anderen Betroffenen diskutieren möchten."
Das große Engagement der Selbsthilfe Osttirol hat sich schon mehrfach als hilfreich erwiesen. Die Fortbildungsserie findet nun zum dritten Mal statt und die Teilnehmer der vorigen Seminare schwärmen davon, wie wesentlich diese gewesen seien, um die Arbeit zu bewältigen. Bei den Seminaren mitmachen kann jeder, und das ist auch bewusst preislich so gemeint. Die gesamte Reihe kostet den Teilnehmern 20 Euro, der Rest wird von Sponsoren getragen bzw. gefördert. Teilnehmen kann auch, wer derzeit niemanden pflegt, aber sich rechtzeitig schulen lassen möchte. Sollte die Gruppe zu groß werden, wird sie geteilt. Wen Einzelmodule interessieren, kann auch nur zu ein oder zwei Verastaltungen kommen. Diese hohe Flexibilität soll vor allem jenen die Teilnahme erleichtern, die Angehörige pflegen und nicht so einfach von zuhause weg können.
Die Module reichen von der Körperpflege über Pflegekomplikationen, Umgang mit Demenz, Inkontinenzversorgung bis hin zur Information über Bürokratisches und ganz wesentlich, die Sterbebegleitung. Noch ein Thema ist den Veranstalterinnen wichtig: der Umgang mit den eigenen Grenzen. Christl Rennhofer-Moritz hofft, dass angeregt durch jenes Modul, die Pflegenden "sich nicht bis zur letzten Konsequenz selbst krankpflegen" und Inge Tagger fährt fort: "Durch die Module sollen die pflegenden Angehörigen vor allem auch lernen: Es ist keine Schande, Hilfe anzunehmen; und ich bin nicht allein!"
Inge Tagger erwähnt, dass 70 Prozent der zu pflegenden Personen in Österreich von Angehörigen betreut werden und dass "die Entwicklung dahin geht, dass es anders immer weniger finanzierbar wird". Dafür müsse man die Gesellschaft vorbereiten. Auf die Frage, ob die Selbsthilfe Osttirol damit eine Aufgabe übernehme, die eigentlich vom Staat organisiert werden sollte, lachen die beiden Frauen. Sie sind es ganz offensichtlich gewohnt zu handeln, anstatt zu warten.
Informationsveranstaltungen gibt es am 1. September im Wohn- und Pflegeheim Lienz, am 2. im Rettungszentrum Matrei und am 3. September im Kultursaal Sillian, jeweils um 19:00 Uhr. Anmelden und näher informieren kann man sich bereits jetzt unter selbsthilfe-osttirol@kh-lienz.at oder telefonisch: 04852 / 606 / 290.
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