Lienzer Soldaten trainierten mit Studenten den Ernstfall
Ausgangspunkt war eine fiktive Mission der Vereinten Nationen in Nordtirol.
Stellen wir uns den Krisenfall vor: Eine Region irgendwo in dieser Welt zerfällt in ethnische und religiöse Gruppen, die nicht mehr fähig sind, miteinander zu reden und ihre Konflikte selbst zu regeln. Eine Gruppe ist wirtschaftlich und politisch stärker als die andere, es kommt zu Gewalt, Armut und viele Menschen müssen flüchten. Das Szenario klingt nicht unbekannt.
Wer in Krisengebieten arbeiten möchte, muss wissen, wie man in solchen Situationen reagiert. Im Mai 2015 hat Dolomitenstadt von einem dafür geschaffenen Training für (zukünftige) Journalisten und NGO-Mitarbeiter berichtet, das etwas härtere Training dieser Art findet zwei Mal jährlich an der Universität Innsbruck statt.
Leiter der Übung ist der seit 2006 für Tirol zuständige Militärkommandant Generalmajor Herbert Bauer. Der Organisator und – wie der Generalmajor es ausdrückt – „Mastermind“ dieser Ausbildung ist Oberstleutnant Bernd Rott, unter anderem Bataillonskommandant in Lienz.
Vom 21. bis 25. Juli hat wieder solch ein Training stattgefunden. Fünf Tage und Nächte lang trainierten Studenten der Peace Studies an der Universität Innsbruck mit Soldaten aus Ost- und Nordtirol. Das Militär stellte dafür die Andreas Hofer-Kaserne in Absam zur Verfügung, weiters die Hochlager der Wattener Lizum, Spezialisten mit Erfahrung aus internationalen Missionen als Ausbildner und entsprechendes Material. Generalmajor Bauer, der das Programm mit UNESCO-Chairholder Wolfgang Dietrich entwickelt hat, hat schon vor Jahren den Wert dieser Übungen erkannt und leitet sie mit viel Überzeugung und Leidenschaft, denn er weiß, wie dringend Soldaten den Umgang mit Zivilisten in Krisensituationen kennenlernen müssen, und er weiß auch, wie wichtig es im Kriegsfall ist, dass Zivilisten militärische Strukturen begreifen.
Zurück zum Ausgangspunkt, den fiktiven Konflikt: Für die Übung wurde er in Nordtirol angesiedelt, wo im Raum Hall und Wattens ein Krisengebiet im Ausland angenommen wurde. Die Studenten stellten eine Mission der Vereinten Nationen dar, die Informationen über eine etwaige Humanitäre Operation sammelt. Eine der ersten Aufgaben lautete, ein Hauptquartier zu bilden. Dafür bekamen sie die Ausbildung, wie man die einzelnen Aspekte einer solchen Mission organisiert, etwa wie man dafür sorgt, dass alle zu essen haben, dass es eine Unterkunft gibt, dass die Missionsmitglieder geschützt sind – aber auch, wie man in solch einer Situation Pressearbeit macht.
Und die Akteure? In Hall spielten unter anderem Geschäftsleute, Kaffeehausbesitzer, die Bürgermeisterin und die Tourismusinformation mit. Wo auch immer die Studenten hinkamen, trafen sie reale Personen, die ihr Leben mit einer Rolle kombinierten und Hinweise zum Konflikt gaben. Zugegeben, einige Touristen schauten verwundert, als sie mitten im historischen Zentrum von Hall auf Blauhelme trafen!
Neben ihrer Tätigkeit als Ausbildner übernahmen die Soldaten für die Übung diverse Rollen aus den fiktiven Konfliktparteien, als Vertreter lokaler UN-Organisationen oder auch als vor Ort angenommene UN-Soldaten, um den Studenten vorzuführen, was es heißt, sich in einem Konfliktgebiet – auch unter Bedrohung – zu bewegen. So hart dieses Training ist, die Studierenden wissen, dass sie diese Erfahrungen brauchen, wenn sie in Zukunft im Einsatz in Afghanistan, Syrien oder in einem anderen Konflikt arbeiten möchten.
Nach jeder Übungseinheit gab es Feedback von Oberstleutnant Rott, der über die entsprechenden Erfahrungen aus realen internationalen Missionen verfügt. Während die Studenten, Soldaten und wir Trainer zumindest ein bis zwei Stunden pro Nacht zum Schlafen kamen, sprang er von einer Rolle zur nächsten, spielte hier einen UN-Kommandanten, da einen harten lokalen Verhandler, zog im Hintergrund die Fäden für die Übung und behielt den Überblick über all die verschiedenen Etappen.
Das Faszinierendste für die Studierenden war neben dem Lerneffekt für die Krisensituation das Zusammentreffen mit den Soldaten. Einige Studenten kamen aus Bürgerkriegsländern, wie aus Kolumbien oder Syrien. Ihre Erfahrungen mit dem Militär waren bisher meist bedrohlich gewesen und jetzt standen ihnen Soldaten gegenüber, von denen sie hingebungsvoll beraten wurden und die ihre Erfahrungen mit ihnen teilten. Am Ende gab es dementsprechend viele dankbare Worte der Studenten, und – auch wenn es nicht den Regeln des Militärs entspricht – so manche Umarmung dafür, dass diese Soldaten nicht nur ihre Arbeit taten, sondern auch auf die Bedürfnisse jedes einzelnen Studenten eingingen und ihnen beistanden, wenn durch das Rollenspiel Erinnerungen aus Kriegserfahrungen hochkamen.
Am Ende waren sie sich einig: „Würde es mehr solche Soldaten geben wie diese aus Ost- und Nordtirol, dann würde es weniger Kriege geben“, sagten sie unisono. Mag sein, dass Generalmajor Bauer und Oberstleutnant Rott das anders sehen, doch auch sie wissen, dass nun einige Soldaten, aber ganz besonders an die 35 Studenten gelernt haben mit dem umzugehen, was in der Realität einer UN-Mission im Bereich der zivil-militärischen Zusammenarbeit geschehen könnte.
Im November wird es dann umgekehrt sein: Dann werden einige der Studenten bei der internationalen Militärübung des Österreichischen Bundesheeres, der sogenannten EURAD 15 (European Advance 2015), UN-Delegierte oder Vertreter von NGOs darstellen und die österreichischen aber auch Soldaten verschiedener europäischer Armeen mit ihren Rollen in deren Training herausfordern. Dolomitenstadt wird wieder live dabei sein.
Fotos: Peace Studies & Dolomitenstadt
Ein Posting
Am Ende waren sie sich einig: „Würde es mehr solche Soldaten geben wie diese aus Ost- und Nordtirol, dann würde es weniger Kriege geben“, sagten sie unisono. ...............
Meiner Meinung nach werden Kriege nicht von Soldaten angefangen oder gelenkt.......sondern von der Politik und der Wirtschaft........!!!!!
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