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Einweihung der Kosakenkapelle

70 Jahre nach der Tragödie kamen Menschen aus ganz Europa nach Lienz.

Die Einweihungsfeier fand gemeinsam mit dem Gedenken an die Ereignisse vom Mai 1945 statt. Die Teilnehmer reisten dafür aus nah und fern an. Fotos: Dolomitenstadt/Ingruber
Die Einweihungsfeier fand gemeinsam mit dem Gedenken an die Ereignisse vom Mai 1945 statt. Die Teilnehmer reisten dafür aus nah und fern an. Fotos: Dolomitenstadt/Ingruber
Es sind 28 Gräber. Etwa 300 Kosaken liegen darin begraben. Ihre Nachfahren standen am 1. Juni 2015 vor der neu errichteten Kapelle. Sie waren aus verschiedenen Ländern angereist, um mit den russisch-orthodoxen Erzbischöfen Mark (Berlin) und Michael (Genf) sowie den Erzdiakonen und anderen Geistlichen das Gebäude einzuweihen. Man hörte Russisch, Englisch, Französisch. Am Ende sagte ein alter Lienzer, der den Zweiten Weltkrieg selbst noch erlebt hatte, zu zwei in Uniform gekleideten Kosaken: „Schön ist es heute gewesen, gell?“ Dabei berührte er freundschaftlich die Schulter des jungen Mannes, der vielleicht kein Wort verstand, doch ebenso freundlich zurücklächelte und sich verbeugte. In dieser kleinen Szene, fernab von allen Mikrofonen und Kameras lag alles, was es an diesem Tag zur Kosakentragödie zu sagen gäbe: Erinnerung, Trauer über das Geschehene, Freude über das Beisammensein und ein Austausch ohne viele Worte, dafür aber ehrlich gemeint. Wie es eine Gedenkveranstaltung zu verlangen scheint, verlief die offizielle Feier ein wenig anders. Dankesworte reihten sich an Dankesworte – zu Recht, denn einige Menschen hatten über Jahre hinweg sehr viel Engagement in die Ermöglichung der Kapelle gelegt. Irgendwann verselbständigten sich die Dankesworte, drehten sich im Kreise und erreichten die Zuhörenden nicht mehr. Was mögen sich die Nachfahren der Kosaken gedacht haben? Der Vertreter des Internationalen Kosakenvereins Hannover, Ottoman Isaak Martinjuk, ein Vertrauter von Ataman Wladimir Melichow, der gemeinsam mit anderen Kosaken an der Ausreise aus Russland gehindert worden war, hielt bezeichnenderweise die kürzeste Rede. Er sagte nur wenige Sätze und er richtete sie an ganz Lienz: „Danke, für alles, was Sie für uns getan haben. Danke, dass Sie eine Kapelle für uns in Ihrem Land errichtet haben.“ Landtagspräsident Herwig van Staa nannte die Kapelle eine Gedenkkapelle aber auch eine Mahnung für den Frieden, denn, so sagte er: „Es gibt keinen gerechten Krieg und keine gerechte Kriegshandlung, aber es gibt auch keine kollektive Schuld.“ Er setzte in diesem Sinne fort, dass man nicht alles gutheißen dürfe, sondern sich für den Frieden einsetzen solle. Auch Bürgermeisterin Elisabeth Blanik hatte zuvor Bezug auf das Heute genommen, indem sie daran erinnerte, dass im Mai 1945 an die 25.000 Kosaken nach Lienz, das damals selbst nur 8.000 Einwohner hatte, gekommen waren. Die Verwaltung sei damals vor große Probleme gestellt worden, wie es heute nicht anders wäre, wenn man bedenke, wie schwierig es sei, heute für 100 Flüchtlinge einen Platz zu finden. In ihrer Rede sprach Bgm. Blanik auch davon, dass es sie zutiefst schmerze, dass das eine Mal, als Lienz zum Ort des Weltgeschehens wurde, es ausgerechnet im Zuge einer so großen Tragödie geschehen ist. Vielleicht liegt gerade darin die Chance für den Lienzer Talboden, nicht mehr die Russen, die Briten, die Deutschen und andere anzuklagen, wie es in einigen der Reden an diesem Gedenktag geschehen ist, sondern das zu tun, was viele Zuschauer rund um die Kapelle ganz selbstverständlich taten, sie redeten miteinander, tauschten sich aus, mischten ihre Sprachen und ihre Erinnerungen, stellten einander Fragen und schienen tatsächliches Interesse an ihrem Gegenüber zu haben. Genau dafür sind der Friedhof und die Gedächtniskapelle ein guter Ort.
Daniela Ingruber stammt aus Lienz und arbeitet als Demokratie- und Kriegsforscherin am Institut für Strategieanalysen in Wien. 

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