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Lienz gedenkt des Kriegsendes

Bei den Feierlichkeiten wurde besonders der Opfer des Nationalsozialismus gedacht.

Bürgermeisterin Elisabeth Blanik erinnert daran, dass die Geschehnisse im Zweiten Weltkrieg und danach erst heute etwas differeneziert gesehen werden. Fotos: Stadt Lienz/Bernd Lenzer
Bürgermeisterin Elisabeth Blanik erinnert daran, dass die Geschehnisse im Zweiten Weltkrieg und danach erst heute etwas differenziert gesehen werden. Fotos: Stadt Lienz/Bernd Lenzer
Es hat lange gedauert, bis Österreich gelernt hat, das Ende des Zweiten Weltkriegs und insbesondere das Ende des Nationalsozialismus als Befreiung zu begreifen. Noch wesentlich länger hat man gebraucht, um diese Befreiung als das ernst zu nehmen, was sie bis heute ist: eine Chance, sich mit der eigenen Verantwortung auseinanderzusetzen, anstatt so zu tun, als wäre Österreich ein Opfer gewesen. Opfer allerdings hat es unzählige gegeben, Menschen, die für ihre vermeintliche Herkunft, ethnische oder religiöse Verbundenheit, ihre sexuelle Orientierung oder ihre politische Überzeugung verfolgt und ermordet wurden. Lienz hielt am 8. Mai, wie viele andere Städte Europas, eine Feierstunde zum Kriegsende ab und gedachte dabei stellvertretend einiger der Opfer des heimischen Nationalsozialismus, allen voran der Görtschacherin Maria Peskoller, die kurz vor der Befreiung für ihre Unterstützung der Partisanen hingerichtet wurde. Die BG/BRG-Schülerin Charlotte Winkler las deren Abschiedsbrief vom Vorweihnachtstag 1944 vor, einfache und sehr direkte Worte: "Ich habe nichts verbrochen, habe als anständige Mutter gelebt (...) Heute schreibe ich Euch die letzten Zeilen. Wir müssen uns für immer trennen." Stellvertretend für all jene, die im Widerstand tätig waren und dafür oder aufgrund anderer Umstände ermordet wurden, las Matthias Niedertscheider, Schulsprecher des BG/BRG Lienz, die Namen derer vor, von denen man weiß, dass sie Opfer wurden. Andere bleiben unbekannt, auch darauf wies der Schüler hin.
Charlotte Winkler und Matthias Niedertscheider lasen Briefe und die Namen der im Nationalsozialismus Ermordeten vor. Fotos: Stadt Lienz/Bernd Lenzer
Charlotte Winkler und Matthias Niedertscheider lasen Briefe und die Namen der im Nationalsozialismus Ermordeten vor. Fotos: Stadt Lienz/Bernd Lenzer
Dass es noch immer einfacher ist, der toten Helden zu gedenken, als die Lebenden zu Wort kommen zu lassen, davon sprach der Zeitzeuge Josef Wurzer. Seine Versuche, jungen Menschen vom Widerstand zu berichten, wurden bisher von nur wenigen Schulen angenommen. Dabei müsste klar sein, dass es nur mehr wenige Möglichkeiten gibt, die Widerstandskämpfer von damals zu Wort kommen zu lassen und aus erster Hand zu erfahren, was ansonsten nur ein Nebensatz im Geschichtsbuch ist. Josef Wurzers Worte an die Jugend und seine Aufforderung, sich gegen Gewalt zu entscheiden, andere Menschen mit Respekt und Würde zu behandeln und die Demokratie zu verteidigen, klingen in Anbetracht aktueller Geschehnisse wie ein Mahnmal. Dass sie vor dem Denkmal für die Opfer der NS-Verfolgung und der Befreiung Österreichs ausgesprochen wurden, müsste ihnen jene Kraft verleihen, dass sich doch noch einige aufraffen, genau hinzuhören.
Dem Widerstandskämpfer Josef Wurzer ist es ein Anliegen, sein Wissen vor allem an junge Menschen weiterzugeben. Fotos: Stadt Lienz/Bernd Lenzer
Dem Widerstandskämpfer Josef Wurzer ist es ein Anliegen, sein Wissen vor allem an junge Menschen weiterzugeben.
In diesem Sinne sprachen Dekan Kranebitter und Pfarrer Hecht ein Gebet für den Frieden, während Martin Kofler vom Tiroler Photoarchiv auf einige der wesentlichen Ereignisse zu Kriegsende in Osttirol verwies, darunter das Drama rund um die Kosaken aber auch die Einzelschicksale einiger regionaler Widerstandskämpfer. An dieser Stelle setzte auch Bürgermeisterin Elisabeth Blanik an, die betonte, dass der Krieg an sich bis heute nicht zu Ende sei und es deshalb besonders wichtig sei, die Vergangenheit im Gedächtnis zu bewahren und gemeinsam "für eine friedliche Zukunft" zu arbeiten. Die Gedenkfeier ging mit einer Kranzniederlegung zu Ende, an der sich auch das Bundesheer unter Oberstleutnant Bernd Rott beteiligte, zu Ende.
Daniela Ingruber stammt aus Lienz und arbeitet als Demokratie- und Kriegsforscherin am Institut für Strategieanalysen in Wien. 

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