In der Schule läuft es richtig gut …
... und langsam hält der Alltag Einzug in unser Leben in Schottland.
Pünktlich um 15 Uhr stand ich wieder im Lehrerzimmer, um die Kinder abzuholen. Die Direktorin hatte mir versprochen, die Kinder in den Klassen einzusammeln, um sich mit mir und den Jungs über den ersten Schultag auszutauschen. Chat nennen sie es hier, wenn man sich unterhält (endlich weiß ich auch woher das kommt). Ich war fürchterlich aufgeregt und habe Kinder erwartet, die völlig geknickt und weinerlich betonen, sie möchten am nächsten Morgen auf keinen Fall mehr in die fremde Schule gehen. Was ich erlebte, waren Kinder mit einem großen Lachen im Gesicht und voller Euphorie, beide mit bunten, großen Stickern an ihren Pullovern.
Es war nämlich so zugegangen, dass die Jungs in ihre Klassen begleitet wurden und dort die anderen Kinder schon warteten. Gespannt auf ihre neuen Mitschüler, gespannt auf die Ausländer, nichts anderes sind wir ja hier. Sowohl in der Klasse von Aaron als auch in der Klasse von Kilian wurde ein Sesselkreis gemacht und die schottischen Kinder haben den Neuankömmlingen ein Willkommenslied gesungen. In Aarons Klasse gab es sogar einen Jungen mit einem deutschen Großvater und eben dieser Junge – Billie – hatte irgendwann einmal ein Bilderwörterbuch Deutsch-Englisch geschenkt bekommen, das er an diesem ersten Schultag mitbrachte. Dieses Buch hat bisher nicht nur an diesem Tag gute Dienste in der Völkerverständigung geleistet!
Nach dem erfreulichen Willkommen in den Klassen wurde ihnen offensichtlich – diesen Teil des Berichts kann ich nur nacherzählen – ich war ja leider nicht dabei – alles ganz genau gezeigt. Aaron und Kilian wussten also um 10 Uhr schon Bescheid, wo alles zu finden sei und wie man sich überhaupt zurechtfindet. All die Sorgen, die unnötig vielen Stress-Zigaretten auf meiner Seite waren also komplett umsonst, aber wer weiß das schon vorher.
Na, jedenfalls wurde sich vor der ersten Pause nochmal versammelt, die ganze Schule im Turnsaal. Es wird sich hier generell ständig versammelt, habe ich den Eindruck. Bei dieser Gelegenheit wurden unsere Jungs noch einmal allen Schülern aller Klassen vorgestellt und es wurde ausdrücklich betont, es sei auf die beiden Rücksicht zu nehmen. Unglaublich, oder? Dort haben sie dann auch ihre bunten Sticker erhalten, weil sie so brav waren während dieser Versammlung. Die Direktorin fand es ganz bewundernswert, wie tapfer sie sich geschlagen haben, trotz der Sprachbarriere. Um ehrlich zu sein, ich finde ja, sie waren gar so still gerade wegen der Sprachbarriere, aber das kann ich auch nur vermuten. Alle Schulkinder haben noch einmal ein Lied gesungen und ab diesem Zeitpunkt – spätestens – wusste wohl jede Familie mit schulpflichtigen Kindern hier in Ardersier über unsere Ankunft Bescheid.
Das machte sich auch auf dem Heimweg von der Schule schon am ersten Tag bemerkbar. An dieser Stelle ist es vielleicht gut, anzuführen, wie wir hier wohnen, nämlich drei Minuten Fußmarsch von der Schule entfernt. Von diesen drei Minuten sind eineinhalb Minuten nur deshalb zu rechnen, weil sie direkt über einen neu errichteten „Playpark“ führen. Die Schule ist also quasi in Sichtweite von unserem kleinen Haus. Trotzdem brauchten wir an diesem ersten Schulnachmittag mehr als eine Dreiviertelstunde, um zu Hause anzukommen. Wir wurden förmlich belagert von Kindern, die ihren Eltern die „Neuen“ vorstellen wollten.
Das führte natürlich auch zu etlichen Gesprächen mit anderen Müttern, was mich deutlich an meine sprachlichen Grenzen brachte. Ich hatte mir durchaus eingebildet, recht gut Englisch zu sprechen, gefördert durch das viele Reisen. Aber die Vokabeln für Schaukel, Rutsche, Klettergerüst, Stundenplan, die Abkürzungen der einzelnen Unterrichtsfächer usw. waren mir auf keinen Fall geläufig. Wir waren – ich war – fix und fertig. Zuerst dieser Vormittag voller Panik, dann die Belagerung auf dem Spielplatz und noch dazu die ständig lächelnden Kinder, die unbedingt weiterhin in die neue Schule wollten. Das war fast ein wenig viel für mich – zumindest war es anders als ich es mir vorgestellt habe.
Jetzt, nach etlichen Wochen im normalen Schulbetrieb hat sich natürlich auch meine Aufregung aufgelöst. Die Kinder gehen noch immer sehr gerne jeden Tag in ihre Schule. Aaron besucht mittlerweile auch nach der Schule zwei „Clubs“. Das sind von der Schule organisierte Trainingseinheiten in bestimmten Fächern. Bei uns gab es das früher auch ... ich kann mich nur gerade nicht erinnern, wie das hieß, wenn man nachmittags freiwillig Italienisch oder Schach hatte? Jedenfalls geht er ins Fußballtraining – das ist sprachbarrierefrei – er hat das in Österreich auch gemacht, und ins Cross-Country-Training, das einer Art Geländelauf gleich kommt. Kilian geht übrigens auch ins Cross-Country-Training. Und beide besuchen unregelmäßig (immer wenn sie es wollen) den Breakfast-Club ab 8.30 Uhr morgens. Dort wird ihnen die Möglichkeit geboten, für einen unglaublich kleinen Geldbetrag von 50 p (etwa 70 Cent) ein vollwertiges Frühstück zu konsumieren. Wir unterstützen das, nicht etwa, weil ich daheim kein Frühstück hinbekomme, sondern weil wir es gut finden, wenn sie Freunde treffen, überhaupt, dass sie Freunde haben und sich auch außerhalb der Schule unterhalten – auf Englisch.
Was die Kinder betrifft, hat sich in ganz kurzer Zeit vieles sehr viel besser ergeben, als wir uns das erhofft hatten. Bereits jetzt, Ende März, ist es möglich, mit ihnen ganztags Englisch zu sprechen, auch wenn sie ein wenig Hemmungen haben mit uns Eltern. Es hat sich ein Alltag eingestellt, anders als in Österreich zwar, aber Alltag. Das ist wohl immer so – irgendwann ist alles wie immer – egal wo man wohnt. Man hat ja die alltäglichen Dinge schon versucht, gemeistert und abgespeichert.
Soviel zu den Kindern, aber was fällt mir sonst noch auf in Schottland? Beim nächsten Mal.
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