Unterricht auf Englisch! Schaffen das unsere Jungs?
Nach dem ersten Gespräch mit der Schuldirektorin waren – fast – alle Ängste wie weggeblasen.
Wir kamen an einem Mittwoch in Schottland an und hatten direkt am Freitagvormittag einen Termin in der zukünftigen Schule unserer Jungs.
Ich muss zugeben, dass ich aufgeregt war. Ein bisschen hatte ich mich durchaus davon anstecken lassen, was wir zu Hause so oft gehört hatten, die armen Kinder, und ich hatte mir auch meine eigenen Gedanken gemacht. Wie würden sie sich denn überhaupt verständigen können, wie fragt man denn überhaupt ob man aufs Klo gehen darf, wenn man die Sprache so gar nicht kann? Würden sie sich etwas zu Essen besorgen können in der Kantine mittags? Viele solche Gedanken schwirrten mir durch den Kopf, auch wenn ich nach außen hin immer ganz entspannt getan habe. Nun kam es also darauf an, ich hatte mir vorgenommen alles genau zu hinterfragen damit ich den Jungs so gut wie möglich Anweisungen geben kann. Jörg sah das Ganze viel entspannter, er hatte volles Vertrauen in die Kinder, das wird schon, hörte ich immer. Jaja …
Es kam ganz anders. Die Direktorin war derart freundlich und liebenswürdig als sie uns begrüßte, dass alle meine Ängste und wohl auch die der Kinder wie weggeblasen waren. Ich bin mir sicher, zumindest der Größere hat sich auch seine Gedanken gemacht.
Nun jedenfalls, sie erklärte uns alles ganz genau, sie betonte mehrmals, man wisse, die Kinder sprechen kein Englisch und man hätte auch die Schüler in den Klassen schon informiert, man hätte sich vorbereitet und würde in den ersten Wochen die Kinder durchwegs begleiten, wenn sie das möchten. Es ging mir schon besser, meine Kinder würden nicht gänzlich alleine gelassen – das war gut. Wir erkundigten uns nach den Schuluniformen und sie bot sogar an, wir bräuchten nicht unbedingt welche kaufen. Sie wisse, wir bleiben ja nicht allzu lange und da wäre diese Investition sicher zu viel verlangt. Das stelle man sich mal bei uns in Österreich vor, bei genereller Schuluniformpflicht für alle Schüler. Wir hatten aber vorher schon vereinbart, dass wir die Kinder mit Uniformen ausstatten, wir waren ja auch der festen Meinung, dass das verpflichtend sei. Die Uniform hier besteht aus schwarzer oder dunkelgrauer Hose, gelbem Poloshirt und schwarzem Pulli, alles mit dem Logo der Schule. Ich wusste z.B. auch nicht, dass jede Schule ihre eigene Uniform hat und man an der Uniform erkennt, wie alt ein Kind ist. Die letzte Klasse hier in Ardersier, ungefähr letzte Klasse NMS in Österreich, trägt rote statt schwarze Pullis, als Zeichen dafür, dass diese Kinder eben schon die Großen hier sind.
Nach dem Gespräch mit der Direktorin waren wir viel schlauer was das englische Schulsystem betrifft, es ist komplett anders. Die Kinder brauchen weder Hefte noch Bücher mit in die Schule bringen oder wieder mit nach Hause nehmen, keine Stifte und überhaupt kein Material. Sie brauchen keine Schultasche und kein Federpenal, nichts. Es wird alles von der Schule gestellt. Die Klassen sind immer in zwei Stufen zusammengelegt. Kilian besucht die P1/P2 was in Österreich etwa einer Vorschulklasse zusammen mit einer ersten Klasse Volksschule entspricht. Aaron geht in die P4/P5 was bei uns eine dritte/vierte Klasse wäre. Die Kinder sitzen in Arbeitsgruppen an großen, runden Tischen zusammen und werden je nach Können in den Gruppen versetzt. Man kann sich das so vorstellen, dass für Kinder die schneller den Stoff erfassen, Erfolg direkt sichtbar gemacht wird. Und jene, die etwas länger brauchen, haben genügend Zeit. Vielleicht wie früher unsere Leistungsgruppen, nur eben alle in einer Klasse. Vielleicht ist es auch das, wohin die Idee Neue Mittelschule gezielt hat? Ich weiss es nicht, was ich weiss ist allerdings, dass das System gut funktioniert, hier, wo man es nicht anders kennt.
Wir waren also gut eingestimmt, haben Uniformen gekauft und sind gespannt ins Wochenende gestartet. Montag war dann der große Tag, ich hatte mit der Direktorin vereinbart, dass ich am ersten Schultag mitkomme und die Kinder noch einmal den Eingang für Lehrer benutzen würden, damit sie in die Klassen begleitet werden können. In meiner Vorstellung spielte sich das so ab, dass ich mit meinen Kindern an der Hand in die Klasse gehe und mir das auch mit ansehen kann. So war es nicht. Wir waren pünktlich um fünf vor neun da, und haben erstmal gewartet. Die Beginnzeit neun Uhr ist offensichtlich mehr eine ungefähre Startzeit. Als es dann doch klingelte, haben wir noch einmal gewartet, alle drei schon etwas aufgeregt – vor allem ich vermutlich. Dann ging alles ganz schnell, die Lehrerinnen kamen aus ihrem Kaffeezimmer, begrüßten uns freudig, und als feststand, wer Aaron und wer Kilian ist, schnappte sich die jeweilige Klassenlehrerin ein völlig verdattertes Kind und war weg. Die völlig verdatterte Mama blieb im Wartebereich zurück, fassungslos über das was gerade geschehen war. Es ging so schnell, dass wir nicht mal auf Wiedersehen sagen konnten, oder viel Glück oder irgendetwas. Weg waren sie, verschwunden in den Fluren der neuen Schule in Schottland, adrett anzusehen in ihren Uniformen und ohne ein einziges wirkliches Wort Englisch.
Es stand ihnen eine kleine Pause um 11 Uhr (30 Minuten), eine Mittagspause von einer Stunde um 13 Uhr und ein Schultag bis insgesamt 15 Uhr bevor. Sie mussten sich Mittagessen besorgen, sich in Klassen setzen, zu Kindern, die sie nicht verstehen konnten und ich stand da völlig bedröppelt und habe mich in genau diesem Moment sehr schlecht gefühlt. Was war ich für eine Rabenmutter, die armen Kinder.
Wie es dann aber wirklich kommen sollte, hatte ich in meinen wildesten Träumen nicht geahnt! Mehr dazu beim nächsten Mal!
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