Wir sind nach Schottland „ausgewandert“
Impressionen einer Familie auf ungewöhnlicher Bildungsreise.
Es ist jetzt sechs Wochen her, dass wir unser Schottland-Abenteuer begonnen haben. Am Anfang stand die Idee, mit unseren Kindern für ein halbes Jahr ins englischsprachige Ausland zu gehen, um ihnen die Möglichkeit zu bieten, eine Sprache vor Ort zu erlernen, die auch in ihrem Erwachsenenleben sehr wichtig sein wird.
Eine Sprache ganz natürlich zu erlernen, mit alltäglichen Vokabeln und Redewendungen, fällt im Kindesalter viel leichter und es wird ein Grundstein gelegt, der – auch wenn man nachher nicht mehr viel Englisch spricht – ein Leben lang als Basis für diese Sprache dient. Kindlicher Spracherwerb, und hier vor allen Dingen vorpubertärer Spracherwerb, fällt leichter, da, so die wissenschaftliche Theorie, Kinder noch auf eine Art universelle Grammatik zurückgreifen können, die mit dem Erwachsenwerden verloren geht.
Natürlich ist das Erlernen einer Fremdsprache im Klassenzimmer grundlegend wichtig, so sind auch wir Erwachsenen zu unserem Schulenglisch gekommen, doch das Erlernen in einem natürlichen Sprachumfeld, der Input aus der Gesellschaft, den Klassenkameraden, usw. usw. ist mächtiger und meist richtiger. Situationsbedingter Umgang mit der fremden Sprache erleichtert das Verknüpfen von Vokabeln mit Bildern aus dem selbst erlebten Tagesablauf.
So war unsere Grundidee und wir fühlten uns auf einem guten Weg und unsere Idee leuchtete uns ein, ein halbes Jahr nach Schottland „auswandern“ und sehen, was so kommt. Gesagt – getan. Wir haben also ganz von vorne angefangen das Projekt zu planen. Der größere Sohn ist fast neun Jahre alt und besucht die dritte Klasse Volksschule, der kleinere ist sechs und im letzten Kindergartenjahr.
Es kommt wohl in Osttirol jetzt nicht so oft vor, dass Kinder aus der Klasse genommen werden, weil die Eltern auswandern, was anfänglich zu einigen Unklarheiten geführt hat. Es wurde sogar kurz angenommen, wir wären sowas wie eine Zirkusfamilie und würden sechs Monate durchs Land reisen. Letztlich wurden aber doch alle Probleme gelöst. Die Bezirksschulinspektorin war sehr offen und hilfsbereit, auch die Direktorin und Klassenlehrerin in der Volksschule haben das Projekt von Beginn an mitgetragen und unterstützt. Im Kindergarten stellt sich diese Frage ohnehin noch nicht, wurde aber von den dortigen Pädagogen auch unterstützend aufgenommen.
Als wir dann also wussten, es klappt mit der Schule und mit dem Job, die Familie kann ein halbes Jahr versorgt werden, auch im Ausland, gingen wir daran, für die Kinder einen Schulplatz in Schottland zu finden. Wir entschieden uns für eine kleinere Grundschule in Ardersier weil wir fanden, dass die Kinder so wohl den größten Nutzen aus dem Vorhaben ziehen können. In einer zu großen Schule würden sie vielleicht untergehen und mit der Fülle der Anforderungen resignieren, in einer zu kleinen vielleicht keine Freundschaften schließen können oder stets als fremd betrachtet werden.
Ardersier war demzufolge mit maximal 106 Schülern für uns perfekt und wir bewarben uns gleich um einen Platz für unsere Jungs. Blitzschnell erhielten wir eine sehr freundliche, positive Antwort. Die Direktorin schrieb, sie würde sich sehr freuen, zwei ausländische Kinder aufzunehmen, das würde den Schulalltag mit Sicherheit enorm bereichern. Wir waren, wie soll ich es formulieren, höchst erstaunt. Mit so viel Freude, sich mehr Arbeit durch zwei Kinder zu machen, die kein Wort Englisch sprechen, hatten wir nicht gerechnet. Wir fühlten uns in unserer Wahl aber bestätigt und meldeten die Kinder gleich an. Schulbeginn am Montag nach unserer Auswanderung (Mittwoch), warum Zeit verschwenden, es nützt ja eh nix.
Wie oft haben wir uns im Vorfeld in Osttirol anhören können, was wir unseren Kindern nicht alles zumuten, wie wir nur so etwas machen können. Die armen Kinder. Immer noch kann ich diese Einwände nur sehr schwer verstehen. Wir wollen doch den Kindern nur Gutes, so eine Chance kommt nicht noch einmal. Es ist in unserem Verständnis tief verankert, dass es wichtig ist, sich einmal aus der eigenen Wohlfühlzone herauszulösen und – nebst dem sehr positiven Punkt des Spracherwerbs, der hier einfach nebenbei stattfindet – auch andere Kulturen kennenzulernen, einmal irgendwo fremd zu sein, als Familie zusammenzuhalten, sich selbst probieren, ja beweisen zu müssen, um zu merken, was man schaffen kann.
Es ist viel verlangt, für zwei kleine Jungs, aber keine Zumutung. Auch wenn wir alle sehr gespannt in das Abenteuer gestartet sind und, vor allem in der Anfangszeit, mit viel Unmut und vielleicht sogar Tränen, gerechnet haben, hat sich die Sache gänzlich anders entwickelt, so haben wir uns das ganz sicher nicht vorgestellt. Mehr dazu beim nächsten Mal!
Unten einige Aufnahmen, die Jörg aus dem Hubschrauber gemacht hat. Die Stadt ist Inverness, die weniger besiedelte Region ist die Black Isle und auf dem dritten Bild sieht man die schottischen Highlands.
3 Postings
Bravo, wünsch euch eine gute Zeit dort!
@Oberfranken.de: Falls du wirklich denkst dass es in Osttirol nur "...Ausländerhetze/-feindlichkeit und Tamarisken-Verpflanzungen..." gibt dann solltest dir vielleicht selbst mal ein Bild davon machen. Nur weil wenige laut schreien, ist nicht das ganze Land so...
Bravo! Meine Hochachtung und Bewunderung! Endlich traut sich eine Osttiroler Familie über den Tellerrand, ähm die Osttiroler Berge hinaus in die wunderschöne und vielfältige weite Welt... Lasst euch von den Grantlern und Neidern in der Heimat (die so sehr um das Wohl eurer Kinder bemüht sind) nicht alles schlecht reden. Freue mich schon auf die nächsten Beiträge aus Schottland - offenbar gibt es in Osttirol doch mehr als nur Ausländerhetze/-feindlichkeit und Tamarisken-Verpflanzungen.
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