Ebolazentrum unter Osttiroler Regie in Sierra Leone
Marcus Bachmann von Ärzte ohne Grenzen: "Einer von zwei Erkrankten stirbt".
Als wir Marcus Bachmann erreichen, bittet er um ein wenig Geduld: „Übers Wochenende werden wir Malariaprophylaxe an 1,8 Millionen Menschen verteilen.“ Das Team von Ärzte ohne Grenzen (MSF – Médecins Sans Frontières) kämpft auf zwei Ebenen, einerseits gegen Ebola und andererseits gegen Malaria. Viele Patienten leiden an beiden Krankheiten zugleich. Das ist nur eines der Details, mit denen sich der gebürtige Lienzer derzeit beschäftigt. Er ist der Einsatzleiter von MSF in Kissy, einem Stadtteil von Freetown in Sierra Leone, dem Land, das derzeit den Hotspot von Ebola bildet.
„Wenn wir einen neuen Patienten aufnehmen, denke ich daran, dass einer von zwei Erkrankten stirbt. Ich sehe in seinem Gesicht Angst, Schmerz, Leere und vor allem Einsamkeit. In solchen Momenten fühle ich mich machtlos.“ Am 15. Jänner allerdings gab es Grund zum Feiern: Der erste geheilte Ebolapatient des von Marcus Bachmann und seinem Team neu errichteten Zentrums konnte entlassen werden. „Wir feiern jede Entlassung mit einer Zeremonie“, sagt der Logistiker und erzählt, dass dieser erste Geheilte noch ein wenig bleibt und den anderen Patienten hilft, denn er vermag, was Bachmann von Herzen gerne täte: den Patienten die Hand halten. Ein Geheilter ist immun, für jeden anderen könnte es ein Todesurteil sein. Jede Berührung ist tabu, auch unter Gesunden. Man weiß ja nie. Nicht einmal die Teammitglieder dürfen einander anerkennend auf die Schulter klopfen. „Neuankömmlinge erkennt man daran, dass sie die Hand zum Gruß ausstrecken. Das muss man sich schnell abgewöhnen,“ sagt der Lienzer und fügt hinzu: „Das Team ist extrem mutig und bereit, sehr hohe Restrisiken auf sich zu nehmen.“
Der Präsident Malis gab am Montag bekannt, die Ebola-Epidemie in seinem Land sei zu Ende. In Sierra Leone ist man noch nicht so weit. Alleine in der Hauptstadt Freetown wurden letzte Woche täglich an die 60 neue Ebolafälle gemeldet. Nichts ist mehr, wie es war. „Öffentliche Versammlungen sind verboten, Märkte und Geschäfte müssen um 18 Uhr schließen. Dann gleicht das sonst so geschäftige Stadtzentrum einer Geisterstadt.“ Sichtlich berührt fährt Marcus Bachmann fort: „Seit August sind alle Schulen geschlossen, 2 Millionen Schulkinder verlieren ein ganzes Jahr an Bildung; in einem Land mit einer Analphabetenrate um die 50 Prozent!“
Die Folgen dessen werden erst viel später sichtbar werden. Heute ist der Kampf gegen die Krankheit das Wichtigste. Der jüngste Patient ist sechs Monate alt. Doch besonders schlimm ist die Situation für Schwangere. Ihre Sterblichkeitsrate liegt bei 95 Prozent. Darum widmet sich das neue Behandlungszentrum als erstes weltweit vorwiegend ihnen. „Es gibt kaum Erfahrung mit schwangeren Ebolapatientinnen und so ist Vieles, das wir hier machen, ein erster Versuch.“
Bachmann, der seine Erlebnisse auch in einem Blog schildert, war schon in einigen Krisenregionen, etwa in Afghanistan, Bangladesch und in der Demokratischen Republik Kongo. Wie er solche Einsätze aushält? Er antwortet mit den Worten der Autorin Ela Angerer: „Die magische Formel bleibt: Orte, Dinge und Augenblicke müssen beseelt werden, damit sie sich ereignen. – Ich habe das große Glück, bei meiner Arbeit sehr vielen inspirierenden Menschen zu begegnen, Patienten und Kollegen aus vielen Ländern. Dadurch ist mein Leben in diesem Sinne wahrlich ereignisreich.“
Im Übrigen kann man "Ärzte ohne Grenzen" auch mit einer Spende unterstützen.
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