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Andreas Braun und der Wert des Widerspruchs

Wird Osttirol von Feiglingen und Ja-Sagern bevölkert?

 
Der ältere Herr auf der Dachterrasse der Lienzer Sparkasse gab anschließend im Saal ordentlich Gas: "Querdenker" Andreas Braun. Fotos: Brunner Images
Der freundliche Herr auf der Dachterrasse der Lienzer Sparkasse gab anschließend im Saal ordentlich Gas: "Querdenker" Andreas Braun. Fotos: Brunner Images
"Den Vorbereiteten trifft der Zufall" meinte Andreas Braun am Beginn seiner Ausführungen in der Lienzer Sparkasse, wo er am 11. Juni zu einem Vortrag geladen war. Ich war eher zufällig dort, aber zu meinem Glück. Wer rechnet schon mit einem Ketzer bei der Sparkasse? Hut ab vor Direktor Anton Klocker, der sich für die Vereinsversammlung mit diesem Referenten etwas Besonderes einfallen ließ. Andreas Braun hat die Kristallwelten von Swarovski groß gemacht und davor die Tirol Werbung durcheinander gebeutelt. Er findet streiten fruchtbringender als mauscheln. "Lustgewinn erzielt man nur durch Ungehorsam", erklärte er dem Publikum vergnügt. Aufmucken statt kuschen, das bräuchte seiner Ansicht nach auch der Bezirk Osttirol, der sich "marketingtechnisch zum Herrgottswinkel hinaufstilisiert" und "die Abweichler einfach ausihaut". Ein Blödsinn sei das, falsch in beiden Wortbedeutungen, also nicht richtig und hinterfotzig zugleich.
"Ihr stilisiert´s euch zum herrgottswinkel hinauf und haut´s die Abweichler einfach ausi!"
"Ihr stilisiert´s euch zum Herrgottswinkel hinauf und haut´s die Abweichler einfach ausi!"
Mir gefällt der Vortrag, schade, dass kaum "Vordenker" hier sind, die könnten eine Portion Braunscher Provokation gebrauchen. "Ist Osttirol eine offene Gesellschaft und wo sind ihre Feinde" fragt der Referent frei nach Popper und hält der Osttiroler Konsensgesellschaft mit einer derartigen Lust den Spiegel vor´s Gesicht, dass manchem Zuhörer im Saal das Lachen im Hals steckenbleibt. All die Sprüche über das Echte und Wahre, so hohl wie jene, die sie klopfen? Kein Widerstand, keine Querdenker, kein Mut mehr, auf die Barrikaden zu steigen und auch einmal gegen den Strom zu schwimmen? Der Mann traut sich was, denk ich mir beim Zuhören, der sollte einmal vor dem grünen Landtagsclub referieren und den aalglatten Neo-Koalitionären eins reinwürgen, die erst den Direktzug und demnächst womöglich die Isel opfern, nur um ja an der Macht zu bleiben. Braun fragt in die Sparkassenrunde: "Was bedroht die Menschheit am meisten? Krieg? Krankheit? Google? Falsch! Es ist Political Correctness." Mir fällt plötzlich die seltsame Stimmung nach dem runden Tisch zu "Natura 2000" im Matreier Kesslerstadel ein, als nach Streit und Zank hinter verschlossenen Türen alle Beteiligten vor den Medien auf Schönwetter machten, obwohl die reale Bedrohung des Gletscherflusses im zufriedenen Lächeln von Andreas Köll regelrecht sichtbar war. Seite an Seite mit dem Matreier Oberbetonierer vom Dienst lächelte eine selbstzufriedene Ingrid Felipe in die Kameras und handelte die Zukunft des wichtigsten Osttiroler Flusses so banal ab, wie eine harmlose Bartgeier-Freilassung, niedlich, oberflächlich und ohne den geringsten persönlichen Standpunkt.
Nationalparkpionier Anton Draxl macht aus seiner persönlichen Konsequenz kein Hehl.
Osttirol war nie ein guter Boden für Andersdenkende.
Braun hat recht. Nichts ist so gefährlich wie Political Correctness, wie der Verlust von Aufsässigkeit, von Widerstand. Widerstand mit selbst gewählten und nicht mit offiziell gewünschten Mitteln. Osttirol war nie ein guter Boden für Andersdenkende. Aber gerade im Umweltschutz haben einige Unbeugsame manches Unheil verhindert, weil sie unorthodox und mutig gegen den Strom schwammen. Wolfgang Retters legendärer Auftritt bei der ORF-Sendung "In eigener Sache" mit Helmut Zilk, die von Frauen getragene Bewegung gegen den Staudamm im Dorfertal, die Abwehr des Pumpspeichers in Raneburg – da war schon was los. Da klebten überall die subversiven Sticker mit der schwarzen Hand, die nach dem Fluss greift. Die Zivilgesellschaft erwachte kurz und schon warfen Herwig van Staa und Bruno Wallnöfer sowohl die Nerven als auch ihre Kraftwerkspläne weg. Seither ist viel Wasser die Isel hinunter geflossen. Es wurde gewählt, die Grünen haben sich in Osttirol praktisch aufgelöst, in Innsbruck sitzen sie in der Regierung und machen Landeshauptmann Günther Platter viel Freude. "Ich geh jeden Tag gerne zur Arbeit mit diesem Koalitionspartner", meinte er erst vor Kurzem. Klar, wer hat schon so smarte Taschenträger? Die letzten Widerstandsnester sind ausgeräuchert. Fast jedenfalls.
Andreas Braun über Osttirols Eliten: "Immer die selben Köpfe, die mit einer Art Verarmungssyndrom um Fördermittel betteln gehen .."
"Immer die selben Köpfe, die mit einer Art Verarmungssyndrom um Fördermittel betteln gehen, die sie ohne Transparenz ausgeben."
Meine Gedanken sind abgeschweift – ich widme mich wieder dem Vortrag von Andreas Braun, der gerade zu einem wuchtigen Rundumschlag ansetzt, eine Breitseite gegen die Kirche abfeuert und gegen die Osttiroler Provinzgranden, "… immer die selben Köpfe, die mit einer Art Verarmungssyndrom um Fördermittel betteln gehen und das Geld dann ohne Transparenz ausgeben." Möglich werde all das durch eine ausgeprägte Ja-Sager-Mentalität. "Eine affirmative Gesellschaft ist etwas Furchtbares! Die letzten Frechen wurden 1684 aus Osttirol hinausgeworfen, das waren die Protestanten im Defereggental," wettert der Querdenker – da donnert es draußen plötzlich kräftig aus den aufziehenden Gewitterwolken. Alles lacht im Saal der Lienzer Sparkasse. Ein Zeichen von oben! Der Braun soll ja nicht zu frech werden …  
Gerhard Pirkner ist Herausgeber und Chefredakteur von „Dolomitenstadt“. Der promovierte Politologe und Kommunikationswissenschafter arbeitete Jahrzehnte als Kommunikationsberater in Salzburg, Wien und München, bevor er mit seiner Familie im Jahr 2000 nach Lienz zurückkehrte und dort 2010 „Dolomitenstadt“ ins Leben rief.

7 Postings

oaschtadio
vor 10 Jahren

oaschtadio, ein Herr Braun hat den Oschttirolern aber den Marsch geblasen . Feiglinge und Jasager , er hat nur bedingt Recht. Natürlich ist die ältere Generation in Oschttirol fälschlicherweise obrigkeitsehrfürchtig und politikerhörig erzogen worden, was eben nur Feiglinge und Jasager hervorbringen kann. Fälschlicherweise insofern, da noch niemals und nirgendwo ein Politiker einen Arbeitspaltz geschaffen hat - das tun die Unternehmer-innen mit ihren Mitarbeitern , und auch kein eigenes oder Landes - oder EU Geld ( Förderungen ) über eine ach so arme Region ausschüttet . Es ist euer Geld Oschttiroler , das ihr mit euren Steuern vorher verdient habt und über vermeintlichen Politiker Goodwill wieder an euch als AlmosenGabe gegen erhoffte Wählerstimme verkauft wird. Bedingt richtig nur insofern, da auch in Oschttirol wider die träge Jasagermasse eine kritische Generation an Einfluß gewinnt, die sich nicht mehr mit einer jahrzehnte lang praktizierten Brot-und Spiele Politik blenden läßt. Auch in dreifaches oaschtadio auf unsere Jugend !

 
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hoidanoi
vor 10 Jahren

Andreas Braun provoziert gut und gern.Schon damals in den Neunzigern, als ihm viele recht bös waren wegen des Gulaschsuppensagers. Da war er dann der Landesgulaschsuppenverräter. Da hat man gesagt, Andreas sag das nicht über die Tiroler Wirtshauskultur, auch wenn wir unsere Gulaschsuppe aus Inzersdorfersuppendosen in der Gastrogröße schöpfen und auf der Karte als "Hausgemachte Gulaschsuppe" stehen haben - denn das "hausgemachte" haben wir von der Dose abgeschrieben und was auf der Dose steht, das ist gut, das weiß doch jedes Kind, bis auf Dich, Andreas, Du schiefgewickelter Nestbeschmutzer und böswilliger Gulaschsuppenverächter - sag das nicht, nicht über unsere Gulaschsuppe.

Ein Mordsaufstand, weil Andreas Braun die hausgemachte Gulaschsuppe bei einem Interview in den Niederlanden als nicht gut befand und so die gerade frisch belabelte Tiroler Wirtshauskultur hinterfragte. Vielleicht gab’s dann lebenslanges Gulaschsuppenverbot für Andreas Braun in Tiroler Wirtshäusern. Man weiß es nicht. Sie dürfte ihm nicht gefehlt haben. - Andreas Braun hat da wie dort und oft empfindliche Stellen getroffen und das ist gut so, besser in jedem Fall als angeblich selbstgemachte Gulaschsuppe zu servieren, die maximal gut abgebunden ist, aber mit Gästebindung rein gar nichts zu tun hat. Empfindliche Stellen gibt's mehr als genug. Oft weil wir uns selbst sehr genügen, aber finden, dass das Vorhandene nicht genügt. Weil andere nicht genug dafür täten, damit wir mit Vergnügen über das Verfügen, was von eben diesen anderen erarbeitet wurde.

Das Resultat solcher Haltung ist manchmal eine mit Bittstellerlamento hochgeköchelte trübe Suppe, gewürzt mit Defizitspendingmentalität und abgebunden mit gegenseitigen Verflechtungen, immer und immer wieder aufgewärmt. Unangenehm. Schmeckt streng bis schal, selten gut. Leimnahe Konsistenz. Recht unappetitlich. Oft schlecht serviert. Nichts worauf man stolz sein kann.

Redet man besser nicht drüber. Sonst gilt man schnell als Gulaschsuppenverächter. Denn: Was hätte man denn außer der Gulaschsuppe? Ha? Die Dosen haben wir doch schon auf Vorrat gekauft, die halten ewig, auf die kann man sich verlassen, das Rezept ist bekannt und die anderen machen das doch auch nicht anders. Selber kochen? So weit kommt’s noch! - Eine klare Suppe ist was Schönes. Selbstgemacht, mit guten Grundprodukten aus eigener Produktion, zusammengestellt und abgeschmeckt von Köchen, die ihr Handwerk verstehen und nicht Dosenfutter zum Markenkern hochstilisieren. Schmeckt sicher. Man darf nur auf das Salz in der Suppe nicht vergessen.

 
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PdL
vor 10 Jahren

Das ist leichter gesagt, als getan.

Berechtigte Kritik gegen eine herrschende Meinung und Mehrheit, kann leicht zur Folge haben, dass man seinen Arbeitsplatz verliert, bei einer anstehenden Beförderung übergangen wird oder den einen oder anderen Auftrag nicht mehr erhält, dubiose Telefonanrufe erhält bis hin zu Drohungen oder gesellschaftlich ausgegrenzt und als Querulant abgetan wird. In Tirol nicht schwarz zu sein, kann schon die Karriere verbauen.

Obgleich es gerade den (ungeliebten) Advocatus Diaboli, dringender braucht, als die Ja-Sager.

Aber die Mächtigen dieses Landes züchten ihre Ja-Sager und wundern sich dann, dass selbst Experten-Teams Fehlentscheidungen treffen.

Stichwörter Authority Bias, Group Think

 
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Franz Brugger
vor 10 Jahren

Osttiroler Provinzgranden, “… immer die selben Köpfe, die mit einer Art Verarmungssyndrom um Fördermittel betteln gehen und das Geld dann ohne Transparenz ausgeben.”

Etwas plakativ und in manchen Fällen auch etwas ungerecht - aber es sollte die Granden wirklich zum Nachdenken anregen, Besserung sollte möglich sein.

Aber auch wir als Wahlvolk sind gefordert - in dieser Causa bei der GV des TVBO - bitte Rechnungsabschluß einsehen und Fragen stellen.

Hoffe, dass auch das Team Osttirol Fragen stellt, oder ist man schon vom Grandevirus befallen?

 
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chilli
vor 10 Jahren

Leider habe ich den Vortrag nicht gehört.

Toll, dass es doch noch Menschen mit Rückgrat gibt; so etwas motiviert , dass man selber aus seiner Lethargie und Hoffnungslosigkeit ( Politik) wieder ausbricht und etwas wagt, provoziert und streitet.... Super!!!!

 
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ohli
vor 10 Jahren

JA sager bin ich heute gerne. JA- Andreas Braun hält uns den Spiegel vor! Genau so ist es! Schade, dass sein Vortrag nicht "öffentlicher" war. Gut, dass Dolomitenstadt uns informiert. Unsere schöne Heimat ist es Wert umzudenken, Verantwortung zu übernehmen, auch in der Verpflichtung für die nächsten Generationen. Da wären unsere Politiker gefordert, aber leider werden sie immer mehr zu Marionetten. Ja- zu mehr Verantwortung!!

 
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gurgiser
vor 10 Jahren

Nun, ich denke, Andreas Braun hat im Grunde vollkommen Recht. Was bleibt anzumerken: 1) Die "Feiglinge" und "Ja-Sager" sind kein Osttiroler Privileg; sie haben sich längst im ganzen Land ausgebreitet. 2) Die fehlende "Tiroler Streitkultur auf hohem Niveau" schadet dem Land Tirol, lähmt die EntscheidungsträgerInnen und führt in der Bevölkerung zu Resignation und zum Abwenden von der Politik (siehe sinkende Wahlbeteiligungen). 3) In einer Zeit, in der in Wien "Steuergeld für kriminelle Machenschaften" verwendet werden soll und sich in Tirol niemand außer uns und der AK rührt, kann der Schluss gezogen werden, die Tiroler Politik trägt das vollinhaltlich mit - wir gratulieren dazu nicht. Fritz Gurgiser www.gurgiserteam.at

 
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