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Europareif? „Korridorbus“ statt direkter Bahnverbindung

Der Südtiroler Landtag hat einen Anachronismus erkannt. Ein Kommentar.

Politik ist selten Zufall. Hinter jedem politischen Handeln stehen Motive und nur wenn man diesen Motiven auf die Spur kommt, erklären sich politische Entscheidungen, die vordergründig oft wenig Sinn erkennen lassen. Ich frage mich zum Beispiel, warum die ehemalige Landesräte Anton Steixner und Thomas Widmann beschlossen, den Direktzug zwischen Lienz und Innsbruck in die Versenkung zu schicken? Was kann das Motiv gewesen sein?
Korridorzug-Video
Szene einer Grablegung. So geschmückt fuhr der letzte ÖBB-Direktzug von Lienz nach Innsbruck aus dem Bahnhof der Dolomitenstadt. Foto: Brunner Images
Wenn man sich anschaut, wer von der Entscheidung profitiert hat, werden die Gründe zumindest vermutbar: in Südtirol ging es dem damaligen Landesrat Widmann immer um eine perfekte Erschließung der aus seiner Sicht entlegenen Schigebiete in Innichen und Sexten mit einem stündlich oder sogar halbstündlich getakteten Skifahrerzug. Nur deshalb werden Millionen in den verschlafenen Bahnhof Vierschach investiert, eine Zughaltestelle direkt am Lift auf den Helm! "Dolomiti Superski" ist eines der größten Skigebiete der Welt, die Liftkaiser der zwölf angeschlossenen Talschaften sind mächtig, reich und – siehe Sexten – zu fast allem entschlossen. "Fremdenverkehr" ist eben auch Verkehr und weil der Bahnhof Vierschach selbst nach dem großzügigen Ausbau für ein Wendemanöver der Südtiroler Skifahrerzüge nicht geeignet ist, müssen die "Flirt"-Garnituren nach Sillian weiterfahren, also nach Österreich und dort umdrehen. Vor ein paar Monaten wurden die Rangiermanöver bereits geübt. Bei dem ganzen Hin und Her ist ein durchgehender Zug, der auf den viel befahrenen Schienen Vorrang hätte, ziemlich lästig. Widmanns Motiv scheint also klar. Und Steixners? Die ehemals in Osttirol eingesetzten ÖBB-Züge verkehren jetzt in Nordtirol. Kapazitäten wurden dorthin umgelenkt, wo sie dringend benötigt werden: in den Ballungsraum. Der ehemalige "Korridorzug" von Lienz nach Innsbruck schien ein verkraftbares Bauernopfer in einer gemeinsam entwickelten überregionalen Strategie für mehr Effizienz und Leistungsfähigkeit im schienengebundenen Verkehr. Auch wenn es für Osttirol schmerzhaft ist, hinter der ganzen Aktion steckt eine nachvollziehbare Logik. Was sind schon ein paar Osttiroler Studenten und Pensionisten im Vergleich zu tausenden Südtiroler Wintersportlern und zigtausenden Pendlern im Großraum Innsbruck? Osttirol ist sowohl für Nord- als auch für Südtirol äußerste Randlage. "Da tut es auch ein Bus", werden sich die beiden schwarzen Mander in Bozen und Innsbruck gesagt haben. Aber jetzt sind die Mandatare im Bozner Landtag auf etwas draufgekommen. (Hier der Link zum Protokoll der Plenarsitzung.) Der "Korridorzug" war ja schon längst keiner mehr. Zur Erklärung für alle, die es nicht mehr erlebt haben: früher durfte man in Südtirol weder aus- noch einsteigen. Man fuhr tatsächlich durch einen Korridor. Doch im offenen Europa unserer Tage war die Direktverbindung vor allem für die Menschen im Pustertal richtig praktisch. Nicht die Osttiroler, nein, die Nachbarn aus dem Südtiroler Pustertal füllten den Zug von Station zu Station in Richtung Innsbruck auf.
Im Osttiroler Pustertal kann man zusteigen, doch "im Ausland" bleiben die Türen zu. Fotos: Dolomitenstadt/Egger
Im Osttiroler Pustertal kann man zusteigen, doch "im Ausland" bleiben die Türen zu. Fotos: Dolomitenstadt/Egger
Lustigerweise zahlte Südtirol aber von den drei Millionen Euro, die die Verbindung im Jahr kostete, gerade einmal 168.000 Euro. Das war natürlich auch kein Zustand und schon wieder wird ein Motiv klar. Steixner wollte für das viele Geld lieber Nord- als Südtiroler transportieren. Das führt jetzt zu einer spannenden politischen Situation: in seltener Einhelligkeit forderte der Südtiroler Landtag am 15. Mai 2014 mit den Stimmen der mächtigen SVP die Wiedereinführung einer direkten Bahnverbindung, weil die Bevölkerung des Pustertales danach ruft. Nicht Osttirols Pendler haben den Bozner Landtag zu dieser Forderung bewogen, sondern die Erkenntnis, dass just im Gedenkjahr an den trennenden 1. Weltkrieg aus einer hochrangigen und für alle nutzbaren Zugverbindung der "Europaregion Tirol" ein zutiefst provinzieller "Korridorbus" wurde, der Jahrzehnte nach der Öffnung von Grenzen und Verkehrswegen seine Türen für die Passagiere zwischen Innichen und dem Brenner wieder verschlossen hält. Diesem Anachronismus reden nach der Kehrtwende der Südtiroler Volkspartei jetzt nur noch zwei Gruppierungen das Wort: die Grünen und die ÖVP in der Tiroler Regierungskoalition. Welche Motive halten diese beiden deklarierten "Europaparteien" davon ab, sofort und beherzt auf die neue Südtiroler Marschroute einzuschwenken? Ich weiß es nicht. Sie können damit zumindest in Osttirol politisch nur verlieren.
Fährt der "Korridorbus" in eine europäische Zukunft?
Fährt der "Korridorbus" in eine europäische Zukunft?
Gerhard Pirkner ist Herausgeber und Chefredakteur von „Dolomitenstadt“. Der promovierte Politologe und Kommunikationswissenschafter arbeitete Jahrzehnte als Kommunikationsberater in Salzburg, Wien und München, bevor er mit seiner Familie im Jahr 2000 nach Lienz zurückkehrte und dort 2010 „Dolomitenstadt“ ins Leben rief.

13 Postings

neofexy
vor 11 Jahren

Fällt eigentlich jemanden auf, dass die so nebenbei angemerkte 3 Mio Euro pro Jahr für den Zug täglich 8212,- , in Worten Acht-Tausend-Zwölf, Euro bedeuten!

Wenn es niemand bezahlen müsste, wäre mir natürlich ein Direktzug, der 2,5 h braucht auch lieber, aber es ist immerhin unser Steuergeld. Nebenbei: bei dem in Südtirol eingeführten 1/2-Stunden-Takt ist der schnellste Direkt-Zug mindestens 3,5 h unterwegs. Dann nehme ich schon lieber den unbequeme neuen Bus und kann direkt bei der Klinik aus- und wieder einsteigen.

 
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Sepp Brugger
vor 11 Jahren

Hallo Gerhard Pirker! Seriöserwewise sollte doch auch erwähnt werden, dass es unter grüner Regierungsbeteiligung ab Winterfahrplan einen Taktverkehr zwischen Lienz und Franzensfeste/Innsbruck geben wird. Damit gibt es nicht nur eine bessere Verbindung mit Südtirol sondern endlich auch untertags wieder eine gute Verbindung mit dem Zug nach Innsbruck nachdem unter SPÖ-Beteiligung die beiden Züge untertags (außer Freitags und Sonntags) gestrichen wurden. Sepp Brugger

 
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Gertrude
vor 11 Jahren

All jene, welche den Bus bevorzugen tun dies bloß, weil man mit dem Gruppenticket viel billiger fährt als mit der Bahn. Der Komfort beim Zug ist eindeutig besser-und es gibt auch keinen Stau.

 
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Franz Brugger
vor 11 Jahren

Frage an ÖBB: Wenn der Stundentakt kommt, wird da der Bus weiterbetrieben?

 
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bergfex
vor 11 Jahren

@karli8,

........Vermutlich wäre es einfacher mal beide Angebote parallel laufen zu lassen, ..................

Parallel geht nicht, da in beiden Befördrungsmittel dann zu wenig Personen sind. Wenn der Bahnpreis auch bei 15 € liegt würden schon einige lieber mit dem Zug fahren, hauptsächlich ältere Personen und Familien mit Kinder. Wenn der Zug in Südtirol auch nirgend halten würde, ginge es auch schneller. Aber die zwei Koalitionsparner müssen das sagen , was Platter und Co. vorgeben, auch wenn es gegen den Heimatbezirk geht. Wie oft ist Kuenz schon mit dem Bus gefahren? Aber nicht nur aus Werbegründen, weil grade die Medien da- und mit waren.

 
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karli8
vor 11 Jahren

jo das wär eben interesant.... Dadurch könnte man auch einen nachvollziehbaren Vergleich bringen und welche Variante dann bessere angenommen wird sollte man verfolgen.... so einfach könnte Poliitik sein, aber so siehts leider nicht aus...

 
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iseline
vor 11 Jahren

an karli@ ich muss dir recht geben, denn eigentlich müsste man beide Varianten zu gleichen Konditionen vergleichen. Glaubst du, deine Bekannten und andere Öffibenutzer würden weiterhin den Bus nehmen, wenn auch mögliche Zugverbindungen viermal am Tag zu einem besonders günstigen Tarif fahren würden?

 
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karli8
vor 11 Jahren

"Großteil der Osttiroler ist weiterhin für die Wiedereinführung des Zuges"... na da wär i mal gespannt woher diese Daten stammen. Also kann zwar nur aus meinem Bekanntenkreis sprechen -und da sind viele dabei die diese Route regelmäßig öffentlich bereisen - da ist kein Großteil für die Wiedereinführung....

Vermutlich wäre es einfacher mal beide Angebote parallel laufen zu lassen, denn das ständige hin und her beider Seiten und die übertriebene Anteilnahme für beide Varianten ist ziemlich lächerlich. Beide Angebote sind halt schwer vergleichbar wenn sie nicht zeitgleich verfügbar sind.

 
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nanny
vor 11 Jahren

Punktgenauer Kommentar. Lösungsmöglichkeit: Südtiroler erklären sich bereit mehr zu zahlen, kräftig mehr, und die Nordtiroler denken wieder daran, dass Osttirol auch Tirol ist. Und unsere Osttiroler ÖVPler haben mehr Mumm, auch für Osttirol zu stehen und nicht nur auf Lob als stramme Parteisoldaten in Nordtirol aus zu sein. Der Bus ist kläglich und ich bin nur gespannt, wie die Fahrzeiten auf Dauer einzuhalten sind bei gutem Sommertourismusverkehr. Überall heißt es, von der Straße auf die Schiene ... aber politischer Kuhandel weiß es besser.

 
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Franz Brugger
vor 11 Jahren

Man vergißt bei der Diskussion jetzt, dass ja der Zug wieder kommt, allerdings der Südtiroler Pustertal Expreß, der im Stundentakt dann eben bis Lienz fährt. Frage: 1) Wenn der Bus soo attraktiv ist, wird er bleiben? 2) Wie werde die Zahllasten für den Stundentakt verteilt, ist das schon ausverhandelt? 3) Die ÖBB hat wieder eine "Nebenbahn" wegrationalisiert, wieviele Dienststellen kommen da weg?

 
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iseline
vor 11 Jahren

Ich bin ebenfalls der Meinung, das die Abschaffung des Direktzuges politisches Kalkül war, das schon einige Vorlaufzeit hatte. Mit der Reduktion der Zugverbindung von vier auf zwei Züge am Tag, einer schlechter werdenden Ausstattung, mit dafür längeren Fahrzeiten, wurde der Zug bewusst unattraktiv gemacht. Dann lässt sich leichter damit argumentieren, dass die Frequenz nicht stimmt, und der Zug umso vieles besser ist. Weil aber damit eine Alternative für die Oberländer überhaupt fehlt, sind etwa die Aussagen über die tolle Annahme des Busses von LR Felipe oder H. Kuenz eigentlich ein blanker Hohn.

Der Großteil der Osttiroler ist weiterhin für die Wiedereinführung des Zuges, aber das ist unserer politischen Vertretung nicht so wichtig. Die nächste Landtagwahl ist weit genug weg und die anderen Bezirke haben Dank stärkerer Vertretungen mehr Gewicht, könnte auch ein Gedankengang sein. Da haben es die Pustertaler besser, sie werden von ihrer Landesregierung und allen Parteien ernst genommen und gehört.

Diese scheinen zu verstehen, dass für eine nicht zentral gelegene Talschaft eine Zug-Direktverbingung einfach absolut wichtig ist - und eine der Säulen gegen Abwanderung und geringer Attraktivität als Peripherie. Unsere Regierungskoalitionäre haben das noch nicht erkannt, und das dürfte nicht wirklich politisches Kalkül sein, sondern einfach fehlende Einsicht. Es könnte aber auch sein, dass sie sich nicht zutrauen, mit den Südtiroler so zu verhandeln, dass diese wirklich ihren Anteil übernehmen. Wer weiß?

 
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Weibsteufl
vor 11 Jahren

Und wen regt es auf, dass der Bus nicht in Südtirol hält? Mich nicht, weil jetzt klar ist, dass die Verbindung von österr. Steuergeldern finanziert wird und auch von diesen genützt wird. Alles paletti! Wobei der Busfahrer sich zeitenweise ja doch erweichen lässt und dann und wann in Innichen oder Toblach anhält!!

Die Südtiroler könnten sich ja auch einen eigenen Pustertaler-Bus ankaufen und ihre Studenten nach Hause bringen. Dann sparen wir uns den Stress wer was zahlen muss und wo heute ein Zug hinfährt oder auch nicht. In den letzten Jahrzehnten hatten sie genug Möglichkeit um Geld dafür zu sparen.

Den LH von Südtirol interessiert die Verbindung in das Pustertal nicht wirklich: beim letzten Vorsprechen der SPÖ mildes Lächeln und eine Absage was finanzielles Investment betrifft; somit sind faire Verhandlungen von Haus aus zum Scheitern verurteilt - außer Österreich übernimmt 100 % Kosten und Südtirol bekommt noch Wegzoll. Super!! Emotional und im Herzen sind wir natürlich alle Tiroler, gell.

Sparen wir uns die Energie und kaufen wir Herrn Schwarzer eine Hundeleine (der ist immer so vorlaut, nein, nicht sein Hund´), ein neues Ämterhaus mit "Hütten-Charakter" (so super), das Kaufhaus bauen wir größer, dass der Erlös beim Konkurs auch größer wird (eh logisch oder..?), über die vielen gut bezahlten Arbeitsstellen im Landesdienst müssen wir auch noch nachdenken (hat ja die SPÖ versprochen oder?) und und und

 
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bergfex
vor 11 Jahren

Wieder einmal ein guter Kommentar von Gerhard Pirkner. DANKE Einfach nachgedacht.

 
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