Die Lienzer ÖVP will die Wahl nicht gewinnen
Eindrücke von einem Parteitag ohne Perspektive. Ein Kommentar.
Die Lienzer ÖVP will die nächste Gemeinderatswahl nicht gewinnen. Das ist mein Eindruck nach dem Parteitag der Stadtpartei, nach der plakativen Wahl Meinhard Parggers und einem Abend der vielsagenden Zwischentöne. Interessant ist ja weniger das nominelle Ergebnis – 55 von 55 abgegebenen Stimmen für den neuen und alten Obmann – sondern dessen Rahmenbedingungen.
Etwa der Umstand, dass es auf der Tagesordnung keinen Punkt "Allfälliges" gab. Selbst der kleinste Vereinsfunktionär weiß, "Allfälliges" bedeutet: jetzt dürfen wir reden. Bernd Bürgel, Gerry Uggowitzer und Franz Stangl verschafften sich dennoch Gehör, bezeichnenderweise drei "Parteipensionisten", die nichts mehr zu verlieren haben. Und Stangl artikulierte laut, was ich tagtäglich höre, wenn die ÖVP zur Sprache kommt: "Elisabeth Blanik wird ihren Sessel in zweieinhalb Jahren locker verteidigen".
Was das Urgestein Stangl vor versammelter Kerntruppe zu Protokoll gab, regte an diesem Abend niemanden auf. Niemand stand auf – zum Beispiel aus der jungen, neu gewählten Garde – und belehrte ihn eines Besseren. Natürlich nicht. Es scheint einen unausgesprochenen Konsens zu geben, dass die kommende Wahl sowieso verloren ist, dass man in der derzeitigen Verfassung nicht gewinnen kann. Politologen nennen das eine "self fullfilling prophecy", eine sich selbst erfüllende Prophezeiung. Wer glaubt, dass er verliert, hat schon verloren.
Da ist es auch schon wurscht, ob die Leute den Parteiobmann gut finden oder nicht. Hauptsache einstimmig. Liebe ÖVPler, wo sind wir denn? In China? Oder im Russland Breschnews? 100% ist doch kein Ruhmesblatt in einer Demokratie, sondern ein Armutszeugnis. 100% heißt "Goschn haltn". Den anderen Teil des bekannten ÖVP-Reimes lass ich bewusst weg. Mit Religion hat das nämlich schon lange nichts mehr zu tun. Heute gibt es eben kaum noch ideologische Lager, man wählt nicht schwarz, weil man zur Kirche geht und die bösen Roten tun das nicht.
Heute werden Menschen gewählt, die glaubwürdig sind, die es schaffen, einerseits mit Sach- und Hausverstand auf Alltagsprobleme zu reagieren, andererseits mit Charisma Visionen und Richtungen vorzugeben. SP-Bürgermeisterin Elisabeth Blanik erfüllt den ersten Teil dieser Vorgabe. Sie regiert mit Hausverstand und bedient sich geschickt des Sachwissens der großteils schwarzen Beamtenschaft in der Liebburg. Blaniks Schwäche ist, dass sie Angst vor Richtungsentscheidungen hat, die Stärke der Stadt eher herunterspielt, um etwas kleingeistig das Budget zu schonen.
Die ÖVP hat eine absolute Mehrheit im Stadtrat und Gemeinderat und einen direkten Draht zu fast allen wichtigen Beamten. Sie könnte die Partei der kräftigen Visionen sein. Ohne ÖVP geht in der Stadt nach wie vor nichts. Doch anstatt diese Visionen politisch zu leben, werden die letzten Bastionen einzementiert und alle, die nicht auf Linie sind, in die Wüste geschickt. Bunte Vögel? Nicht gefragt. Schon unter Hibler wurden Christl Rennhofer-Moritz, Gym-Direktorin Ursula Strobl und andere Selbstdenker systematisch demontiert. Christian Zanon blieb nach dem Abgang von Susanne Idl-Arakelian halbherzig an Bord. Es fragt sich, wie lange noch.
Was bleibt ist die Erinnerung an ursprüngliche Größe, die Suche nach einem Platz, den man nach Hubert Huber benennen könnte und eine sich selbst erfüllende Prophezeiung: "Wir werden die nächste Wahl verlieren".
6 Postings
Sie sind ein ein ganz schöner Fan von grünen Wiesen, nicht? Pollenallergiker werden in dieser Hinsicht traditionell wohl eher geteilter Meinung sein ;-)
Aus unsicheren Quellen habe ich gehört, dass der Bau des Fachmarktzentrums in der Debant (also das ZUbetonieren von knapp 10.000m^2 grüner Wiese + einer etwa gleich großen Fläche, die ausschließlich als AUffangbecken für eventuelle Muren dient) auf eine Verschwörung der Inernationalen Pollenallergiker zurück geht!
hahahaha genug Klamauk meinerseits für heute :-)
Ich finde, dass unsere Fr. Bgm. schon was drauf hat. Sie gibt keine Schnellschüsse ab, wie so manch ÖVP´ler es gerne hätte oder hatte. Zuerst mal nachdenken, überdenken und wie z.B. beim Schwimmbad, alles wesentlich kostengünstiger beschließen. Was sonstige Projekte betrifft, das Jugendzentrum ist erfolgreich umgesetzt, der Schnee am Zettersfeld scheint gesichert und sie hat immerhin versucht, unsere ÖBB Verbindung am Gleis nicht ganz sterben zu lassen (es gibt dadurch zumindest noch Hoffnung). Was ich weniger verstehe in der jüngeren Geschichte der Gemeinderatsbeschlüsse, warum man ein neues Wohngebiet nördl. vom Postverteilerzentrum wieder in die grüne Wiese plant. Ein paar hundert Meter westl. davon liegt das ganze ehem. Versteigerungsareal völlig brach, warum schafft man nicht dort finanziell leistbare Baugründe, anstatt wieder eine Wiese unwiederbringlich verschwinden zu lassen. Da diese Fläche ja eh den ÖVP nahen Genossen gehört, sollte dies wohl möglich sein, die Gründe zu tauschen, oder? Tja, und die weiteren angesprochenen Punkte wie Verkehr (wird wohl zum Infarkt, wenn tatsächlich mal das Kaufhaus errichtet wurde), die Nordschulen (hoffentlich baut man diese nicht auch wieder in die grüne Wiese, falls dieses Projekt jemals umgesetzt werden sollte), der Stadtsaal (könnte man ja vielleicht gleich mit dem Nordschulumbau kombinieren, ähnlich wie im Gymnasium jetzt die Aula auch z.T. öffentlich genutzt wird) und zu guter Letzt der Hauptplatzumbau. Man darf halt nie vergessen, das alles kostet sehr viel Geld und in Zeiten des geplanten Schuldenabbaues, ist alles sehr viel schwerer finanzierbar geworden. Aber solange Fr. Blanik das Oberhaupt bleibt (was ja durch die Direktwahl auch weitere Jahre möglich sein sollte), habe ich da ein gutes Gefühl. Nicht ohne Grund hat die ÖVP Bgm.-Zeit abrupt in einer Stichwahl geendet.
Excelenter Kommentar, kann ich wirklich zur Gänze unterschreiben!
Wieso die ÖVP es der (meiner Meinung nach) schwachen Bürgermeisterin so leicht macht, kann ich wirklich nicht verstehen! Wahrscheinlich ist es einfach angenehm, wohl die Mehrheit im GR zu haben ("ohne uns geht nichts"), aber nicht die Verantwortung als Bgm tragen zu müssen. Ob das nach der nächsten Wahl - diese ÖVP erhält nie und nimmer die Mandatsmehrheit - weiterhin so lustig ist, wage ich zu bezweifeln! Traurig ist es vor allem für die Stadt Lienz, denn die zaudernde Frau Bgm wird durch die ÖVP noch unterstützt, stellt alle "Erfolge" geschickt als die ihren dar, wenn etwas nicht gelingt, war es die ÖVP oder die (in den allermeisten Fällen ausgezeicnet arbeitenden) Beamten ... Das kann Frau Blanik perfekt so vermitteln - nur, in Lienz geht nichts weiter (Schwimmbad, Stadtsaal,Schulzentrum Nord, Bergbahnen, Verkehr ....) - dabei ist bei all diesen Punkten es schon 5 nach 12! Schade um die schöne Stadt!
PS.: Um allen Missverständnissen vorzubeugen: Diese Versäumnisse (in Vergangenheit und leider auch Gegenwart) sind nicht allein Schuld der Frau Bürgermeistern oder der ÖVP - sondern von beiden Parteien verschuldet!
Brillianter Kommentar!!
Auch wenn die Formulierung zeitweise an "Post von Jeanneé" erinnert hat. Naja, vielleicht muss man bei diesem wohl THema zu solchen stilistischen Mitteln greifen :-)
Allerdings muss ich noch los werden, dass der Begriff der Self-fulfilling Prophecy aus der Soziologie kommt, nicht aus der Politikwissenschaft (ich konnte das einfach nicht drin behalten hahah)
Top Bericht..... Top Kommentar......
Sehr gut geschriebener Artikel!!!
Die BürgerInnen sind ja nicht blöd und realisieren diese Farce sehr wohl. Dieses Schauspiel ist ja schon regional nicht mehr tragbar, nur bundesweit sollte man diesen Herrschaften noch etwas mehr auf die Zehen steigen. In welcher demokratischen Gesellschaft erreicht man schon 100% der Stimmen ausser in der schwarzen??? "Du, kimm, gebma gscheider in Pargger die Stimme dann haben unsere Kinder in Ferialjob bei da Stadtgemeinde wieder fix..."
Fürchte dich nicht vor langsamen Veränderungen; fürchte dich nur vor dem Stillstand.
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