Süßes über Almrosenhonig und Kiezbienen
Unser neuer Kolumnist in Hamburg besuchte Imker in der Großstadt.
„Kennen Sie Almrosenhonig?“ ist eine der Fragen, die ich in Hamburg oder Berlin interessierten Feinkosthändlern stelle, wenn ich ihnen die Schokoladen des Osttiroler Konditormeisters Hans-Gerhard Pichler präsentiere. „Almrosenhonig? Nö, aber das klingt schon mal toll.“ Während der Kunde genießt, erzähle ich über die Herstellung des Honigs und den Imker, der zur Almrosenblüte mit seinen Bienenstöcken bis zur Baumgrenze fährt, wo die Bienen den besonderen Geschmack der Almrosen einfangen. Meine Gesprächspartner sind hingerissen, von der Schokolade, dem Geschmack des Honigs und dem Bild, das in ihnen entstanden ist.
Ich hoffe, ich kann diese Geschichte noch oft erzählen. Vielleicht aber machen mir Neonicotinoide und eigenwillige Landwirtschaftsminister einen Strich durch die Rechnung. Wobei, in Osttirol, wo wenig Ackerbau betrieben wird, werden Bienen weniger durch Nikotinvergiftungen als durch klimatische Veränderungen, Großwetterereignisse wie Hagel oder harte Kälteeinbrüche in der Blütezeit dezimiert, wie mir Konrad Trojer, Imker in Leisach, erzählt.
Die meisten Völker verliert er an die Varroamilbe. Es dürfte den gut 180 im Verband organisierten und vielen nicht organisierten Imkern im Bezirk ähnlich gehen. Durch klimatisch bedingte Verschiebungen der Vegetationsphasen verändert sich das Nahrungsangebot für die Nektarsammlerinnen. Blüht wie gerade eben alles zeitgleich, so gibt es de facto zu wenige Bienen, um das ganze Angebot abzuernten, das sonst nach und nach eingebracht werden konnte. Ich bange ein wenig um den Almrosenhonig. Bei ca. 4.000 Bienenvölkern in Osttirol hoffe ich aber dennoch.
Ebenso viele Völker wie in Osttirol werden in Hamburg von rund 500 Urban-Imkern betreut. Viele dieser Bienen-Enthusiasten betreiben Imkerei als Hobby, stellen ihre Bienenkisten auf den Balkon oder das Flachdach oder in den Kleingarten. Zufüttern müssen sie fast nie, die Stadtbienen finden reichhaltige und vor allem unterschiedliche Nahrung je nach Witterung von März bis September, teils sogar noch bis in den November hinein, in Parks und Kleingartensiedlungen, auf Friedhöfen, begrünten Hinterhöfen oder Verkehrsinseln sowie bei blühenden Balkonpflanzen. Von Stadtteil zu Stadtteil ändert sich die Pollenzusammensetzung in den Vielblüten-Honigen. Von der Azalee bis zum Zitronenbaum, sie haben eine große Auswahl.
Die Illustratorin Anja Hiesener und ihr Mann, IT-Techniker Jan-Thomas Otto sind ambitionierte Urban-Imker, die sich wegen ihres Kleingartens für Bienenzucht zu interessieren begannen. Erst als unverbindliche Annäherung gedacht, entwickelte sich daraus ein geliebter Ausgleich zum Berufsleben. Heute stehen ihre Bienenstöcke nicht mehr im Kleingarten sondern an prominenter Stelle in Hamburg. Mit sechs Völkern ernten sie Honig in den Gärten der St. Pauli Kirche oberhalb der Elbe, nahe der Hafenstrasse. Nahrung finden die Völker bei Kastanien, Robinien und Linden, direkt an der Uferpromenade zwischen Fischmarkt und Landungsbrücken. Die Kiezbienen produzieren um die 120 kg Honig pro Jahr, die dann für den Preis von € 4,--/250g Glas von der St. Pauli Kirche selbst vertrieben werden. Ein Euro geht an karitative Initiativen.
Weil allein der Name St. Pauli schon Begehren weckt, kreierte im Vorjahr eine findige Produktdesignerin einen szenetauglichen "Kiez Honig St. Pauli", der schnell vergriffen und noch teurer war, als jener der Kirchenimker, dank Logo mit Seemannsbraut und Honigbiene mit Nietenhalsband. Den Anstandseuro für Karitatives lieferten aber auch die Bienen mit Halsband ab.
Das Marriott Hotel in der ABC-Straße hat den internationalen Trend des "Urban-Imkering" vor zwei Jahren für sich entdeckt. Die Geschäftsleitung des Hauses gewann Imker Michael Bauer für ihr Projekt, der seine Bienenstöcke während der Frühjahrs- und Sommertracht auf dem Dach des im Herzen Hamburgs gelegenen Hotels aufstellt. Die 60.000 Marriott-Bienen produzieren bis zu 35 Kilogramm Honig. Den Nektar dafür finden sie im nahegelegenen Park Planten und Blomen. Sobald die erste Ernte abgeschleudert wird, können die Gäste des Marriott den hauseigenen Honig genießen. Dieses Jahr kann das noch ein wenig dauern.
Wer denkt, Bienenhonig aus der Stadt sei bei all den Abgasen, Feinstaub und Hausbrand alles andere als ein Genussmittel, irrt. Bienen können mit schwierigsten Umweltbedingungen umgehen, was zum Beispiel der schadstofffreie Honig der Bienen am Hamburger Flughafen belegt. Die Airport-Leitung versuchte zu beweisen, dass die Luftgüte rund um den Flughafen besonders gut sei. Verantwortlich für die niedrige Schadstoffbelastung waren aber die besonderen Eigenschaften der Bienen. Bienen sind hart im Nehmen.
Den Stadt-Bienen hilft dafür die Ferne zu großen Ackerflächen mit monokulturellem Anbau. So sind sie weniger als ihre Kolleginnen vom Land der Belastung und Dezimierung durch Spritzmittel und Pestizide ausgesetzt. Niemand schwingt sich auf Linde, Buche oder Pappel, um sie mit Spritzmitteln einzunebeln. Im Urban-Gardening sind Spritzmittel so oder so tabu. Da die Temperatur in Städten meist um 1-3 Grad höher liegt als im Umland, genießen die städtischen Nektarsammlerinnen durch frühere Blüte- und längere Vegetationszeiten gegenüber der Landbiene weitere Vorteile.
In diesem Jahr verbindet die Bienen in Osttirol mit denen in Hamburg der späte Frühlingsbeginn. Sie sind noch nicht soweit. Trotz mittlerweile großer Blütenpracht brummt und summt es noch nicht wie gewohnt. Ich hoffe, sie überstehen die Schafskälte, Herrn Berlakovich und all das, was ein Bienenleben hart sein lässt, egal ob am Kiez oder über 1.800 m in den Alpen.
Beobachtet von der Waterkant,
Marcus G. Kiniger
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