Die Mannsbilder vom Berg und der Mythos vom Nichts
Die Kandidatenkür zur Landtagswahl spricht Bände. Ein Kommentar.
Kaum ein Gesicht wird so klischeehaft mit Osttirol identifiziert wie jenes von Schafbauer Sepp Schett. Er ist sozusagen das Osttiroler Gegenstück zur Trapp-Familie, wobei sein Heimatlied – gern gesungen auf TV-Kanälen im In- und Ausland – einen eingängigen Refrain hat: "Komm zu uns, wir haben nichts".
Als das Villgratental diesen schelmischen Slogan ausheckte, waren vor allem die gelernten Osttiroler ganz verzückt. Genau, endlich sagt einmal jemand, was wir haben. Nichts! Und so viel davon! Und so schön ist es, das Nichts! Wir sind die letzten, die noch ein Nichts haben, die anderen haben ja alle schon ein Etwas und das hat das Nichts zerstört.
Das war, werblich gesehen, ein guter Trick und die pointierte Zuspitzung einer Philosophie, mit der sich Schett seit Jahrzehnten erfolgreich als idealtypischer Osttiroler vermarktet, das Schaf im Arm, die Virginia im Mundwinkel und immer eine originelle Schnurre aus der Bergheimat auf den Lippen.
Das ist gut für den Verkauf von Schafwolle und Almurlaub, oder auch von teuren Schnapsln beim Gannerwirt. Es hat aber nichts mit den Arbeitern bei Liebherr zu tun, nichts mit gut ausgebildeten Menschen, die abwandern müssen, mit fachmedizinischer Versorgung in Randlagen, mit den Sorgen Jugendlicher, neuen Großkaufhäusern im Lienzer Becken, der Gleichstellung der Frau im Arbeitsleben, Leistungsdruck, niedriger Kaufkraft und hohen Wohnungspreisen. Das Nichts ist keine Antwort auf der Suche nach einem zeitgemäßen Lebensmodell im Osttirol der Neuzeit.
Kaum eine Kandidatennominierung zeigt so exemplarisch die Hartnäckigkeit des tradierten Osttirol-Klischees, als jene von Sepp Schett ausgerechnet für eine Liste mit dem Namen "Vorwärts". Wen wundert da noch, dass die ÖVP ins selbe Horn bläst und Hermann Kuenz wieder an die Front schickt, auch ein "typischer Osttiroler", verwurzelt mit der Scholle als tüchtiger Obstbauer und Schnapsbrenner. Nicht von ungefähr sind sich Schett und Kuenz als TVB-Funktionäre für das "Team Osttirol" einig in einem Markenbild, das den Bezirk gerne "ursprünglich" definiert, als letztes Refugium für das Echte und Werthaltige. Komm zu uns, wir haben nichts.
Doch Alltagssorgen passen nicht in Aussteigerträume. Regionalpolitik ist nicht Tourismuswerbung und die Osttiroler Realität kein Heimatfilm, gedreht im Villgratental oder auf dem Kuenz-Hof – so schön das vielleicht wäre. Fast die Hälfte der Bevölkerung Osttirols lebt im Lienzer Becken und da wird morgens nicht gemolken, sondern gestaut. Die Wahl wird im städtischen Raum gewonnen oder verloren. Aber weder FPÖ, Gurgiser, Grüne, Vorwärts oder ÖVP haben – an wählbarer Position! – einen Kandidaten aus der Stadt Lienz! Kein Arbeiter, kein Jugendlicher, keine Frau mit Aussichten auf ein Mandat? Dafür gibt´s jede Menge gestandene Mannsbilder vom Land.
Und eine Ausnahme: Elisabeth Blanik. Sie wird ihre politische Alleinstellung als gebildete, erfolgreiche Frau aus der Stadt nutzen. Und den WählerInnen all das versprechen, was es im "Nichts" nicht gibt.
12 Postings
Die ÖVP war bis vor kurzem nicht mehr wählbar. Der Landeshauptmann hat aber anscheinend erkann, wie schlecht es seit der Köll'schen Übernahme um die Partei im Bezirk steht und Kuenz geschickt wieder ins Boot geholt. Bezüglich Mayerl: Er ist wohl die einzige Chance den Bezirk von der Diktatur zu befreien.
Der Artikel ist gut geschrieben. Zu den Kommentaren möchte ich anmerken das Osttirol nicht nur aus Lienz und dem Talboden besteht, sondern aus 33 Gemeinden bis in die hintersten Täler, die sich wirtschaftlich um einiges schwerer tun als Lienz und die Umliegergemeinden. Es brauch aber für die Zukunft eine Politik für alle, das sollten die Lienzer auch nicht vergessen. Zu der Suche nach jungen politischen Talenten möchte ich anfügen. Ich glaube Martin Mayerl wäre so ein Talent. Nur schade das er verheizt wird vor er zeigen kann was in ihm steckt.
Ich bin selber aus dem Talboden und würde mir eine junge Kandidatin oder einen jungen Kandidaten aus Lienz wünschen, die oder der etwas bewegen kann. Leider sehe ich bei keiner Partei, auch nicht bei der SPÖ (die dem Verfasser des Artikels anscheinend, trotz unsinniger Kaufhauspläne, ans Herz gewachsen ist) junge Leute, die das nötige Engagement aufbringen. Hätten die Parteien solche Leute, würden sie wohl auch an wählbarer Stelle platziert werden. Aber vielleicht liegt es nicht nur an den Parteien, sondern auch an der Gesellschaft?
le corbusier:
bitte entschuldige, wenn ich dir zu nahe getreten bin, ich sehe schon, offensichtlich bist du ein team osttirolverfechter, keine sorge auch du wirst irgendwann diesen ganzen schwindel begreifen
Tourismus ohne Politik... ..hat sich leider als nicht realisierbar erwiesen, weil das Geld kommt vom Land, der LH ist (partei)politisch, und die gewählten Mandatare tummeln sich eben kraft Beruf oder wegen Ihres Amtes in den Kreisen von operativem oder strategischem Handeln im Tourismus. Es mag daher nicht schaden, wenn auch das Team Osttirol ein nahes Ohr zur Landespolitik zur Verfügung hat. Aber man wird da schon viel transparenter kommunizieren sollen/müssen, als dies ein Dr. Köll tut, der ein Meister im politischen "Hinter der Tür Netzwerken" ist.
möcht mich nicht zu schett oder kuenz äusern, aber @osttirol20:
finde ich es eine frechheit eine gesamte stimmgruppe erfolgreicher wirtschaftstreibenden öffentlich als dumm, zumindest als nit gscheit, zu bezeichnen mit ihrer wahlentscheidung. immerhin ist es nominal die größte gruppe an wahlberechtigten und teil eines demokratischen ergebnis.
So was nennt man Mannsbilder" Da haben wir ja schöne Aussichten. Dabei geht es diesen Mannsbildern nur um SICH und sonst um gar nichts......
hoffen wir nur, dass die tiroler wahlbevölkerung gescheiter ist, als die wähler der stimmgruppe 3, damit unser mediengeiler schafbauer nicht in den landtag einzieht
Der Kommentar bringt es auf den Punkt und zeigt leider auch das Unvermögen der Parteien bei der Erstellung ihrer Listen auf. Die, die bereites Macht haben wollen diese unbedingt erhalten und sägen dabei ohne es zu merken an dem Ast auf dem sie sitzen. Schon längst hätten junge Menschen aufgebaut werden müssen um so den längst überfälligen Generationswechsel einzuleiten. So ließe sich auch die so heiß ersehnte Macht in den eigenen Reihen halten und dieser Wildwuchs an Parteien und selbsternannten Rettern würde endlich aufhören.
Ein scharfsinniger Kommentar. Verfasst von einem Lienzer für Lienzer. Osttirol ist mehr.
... kann diesen Ausführungen nur 100%ige zustimmen, ganz nach Willi Resetarits: ::::::::::::::::: SO SCHAUT'S AUS LEUTE!!! ::::::::::::::::::::
sehr gelungener und "augenöffnender" kommentar!
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