Ein unbequemer Quer-denker, der polarisierte
Vierbändige Werkedition des Forschers, Chronisten und Autors Johannes E. Trojer.
Als der im Villgratental lebende und wirkende Johannes E. Trojer (1935-1991) vor 20 Jahren viel zu früh verstarb, hinterließ er einen umfassenden Nachlass. Das „papierene Erbe“ des unbeugsamen Zeithistorikers, Literaten, Journalisten und Herausgebers einer Kulturzeitschrift befindet sich im Ausmaß von rund 140 Pappkartons sowie mehreren hundert Plakaten als Leihgabe im Forschungsinstitut Brenner-Archiv der Uni Innsbruck.
In Teamarbeit nahmen Ingrid Fürhapter, Sandra Unterweger, Martin Kofler und Erika Wimmer die von Trojer akribisch erstellten Sammlungen und die Vielzahl seiner Texte und Dokumente kritisch unter die Lupe. Das Ergebnis dieser vierjährigen Forschungsarbeit wurde am 29. September in Kalkstein der Öffentlichkeit präsentiert: das Gesamtwerk Trojers in vier Bänden. Die 1.764 Seiten umfassende Edition dokumentiert das vielseitige Schaffen eines unbequemen Quer- und Vordenkers, der schon zu Lebzeiten polarisierte.
Die Band- und Wirkungsbreite des kompromisslosen Chronisten, der mit seiner Geradlinigkeit wiederholt auf Widerstand stieß, war groß. Johannes E. Trojer hatte Jahrzehnte lang alles, was ihm zwischen die Finger kam, gesammelt. Bereits als der Osttiroler nach seiner Ausbildung in Nordtirol in seine Heimat zurückgekehrt und bald im Villgratental als Volksschuldirektor tätig war, hatte er begonnen, Erhaltenswertes zu bewahren und für die Nachwelt zu sichern - in Form von Fotos für die Ortschronik ebenso wie durch die Befragung von Zeitzeugen. Eine Reihe von Publikationen entstand: von Aufsätzen in wissenschaftlichen Zeitschriften über satirische Glossen und gesellschaftskritische Kurzbeiträge bis hin zu Kulturkritiken in der TT und im Osttiroler Boten.
Bekanntheit erlangte der Kenner der Lokalgeschichte und Volkskunde mit seinen zeithistorischen Forschungen und Veröffentlichungen insbesondere zum Villgratental, aber auch zu angrenzenden Regionen. Trojer war kein ausgebildeter Zeithistoriker, trug aber eine Fülle von Material zusammen, bündelte verstreutes Wissen und versuchte, mit seinen „Erinnerungsinterviews“ das Schweigen zu politischen und gesellschaftlichen Tabuthemen zu brechen.
Das erste große Werk Trojers war die Festschrift anlässlich „700 Jahre Innervillgraten“. Sein bedeutendstes zeitgeschichtliches Buch ist „Hitlerzeit im Villgratental“, das posthum im Jahr 1995 herauskam. Im seinem Nachlass fanden sich Kriegstagebücher aus den beiden Weltkriegen ebenso wie Unterlagen zu Widerstand und Verfolgung in Osttirol sowie Korrespondenz und Dokumente zum Umgang mit der NS-Vergangenheit. Trojer war neben seiner Tätigkeit als Lehrer als Tourismusobmann tätig, organisierte lokale Kulturveranstaltungen und verfasste Höfechroniken.
Seine Zeitschrift „Thurntaler“ entwickelte sich zu einem Forum sowohl für eigene Texte und als Sprachrohr seiner Anliegen als auch für kritische Beiträge anderer. Trojer scheute keinen Konflikt oder Skandal, ging geradlinig seinen Weg, war ein überaus kritischer Geist und griff mit Vorliebe brisante, konfliktgeladene Themen auf. Ob es nun um den auferstandenen Christus von Albin Egger-Lienz in der Lienzer Kriegergedächtniskapelle oder die Freilegung eines Freskos von Franz Walchegger ging, er tat seine Meinung stets offen kund.
Trojer trat zu Lebzeiten nur wenig als Literat in Erscheinung, veröffentlichte vor allem Glossen und Essays, die damals nicht als Literatur gelesen wurden. Erst posthum wurde eine Auswahl seiner Werke "Trojer. Texte aus dem Nachlass" publiziert und damit einer breiteren Leserschaft zugänglich gemacht.
Die druckfrische Werkedition widmet sich in je einem Band der Literatur, der Zeitgeschichte, der Kultur („Thurntaler“) und dem Denken, das hinter Trojers Arbeit von vier Jahrzehnten steht.
Johannes E. Trojer. Werkausgabe
4 Bände im Schuber mit zahlreichen Abbildungen, ISBN 978-3-85218-671-9.
1764 Seiten.
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