Sepp Brugger: Es wird mit zweierlei Maß gemessen
Trotz negativer Bewertung des Kraftwerk-Projektes Innervillgraten positiver Bescheid.
Die offizielle Politik in Tirol führt seit einiger Zeit weitere Argumente ins Treffen, wenn es um den Ausbau der heimischen Wasserkraft geht. Neben Energie- und Klimaschutzgründen sollen die Kraftwerke auch beitragen, die Gemeindekassen zu füllen. Landeshauptmann Günther Platter sprach vor einigen Monaten bei einem Osttirol-Besuch von der Möglichkeit für Bürgermeister, ein zusätzliches Einkommen für die Kommunen aus Gewässern zu ziehen.
Scharf kritisiert wird von den Grünen, dass für das Kraftwerksprojekt in Innervillgraten trotz negativer Bewertungen ein positiver Bescheid ausgestellt wurde. „Der beauftragte Sachverständige, der das negative naturkundliche Gutachten erstellte, erwartet im Falle einer Realisierung des Vorhabens starke Beeinträchtigungen für Lebensgemeinschaften von Pflanzen und Tieren, den Naturhaushalt, das Landschaftsbild und den Erholungswert“, so Sepp Brugger, Sprecher der Osttiroler Grünen, im Rahmen eines Pressegesprächs.
Auch die Landesumweltanwaltschaft gab eine negative Stellungnahme zum Projekt ab. In dieser heißt es u. a., dass alles daran gesetzt werden solle, das Villgratental „frei von großen touristischen, technischen Infrastruktureinrichtungen sowie von Kraftwerksbauten zu halten.“
Der Energiebeauftragte des Landes stehe dem Projekt, so Brugger, aufgrund der saisonal stark schwankenden Möglichkeiten der Energieerzeugung ebenfalls ablehnend gegenüber.
Der positive Bescheid erfolgte dennoch, obwohl die Ausführungen des Sachverständigen in der Beweisführung bestätigt werden. Auch die Stellungnahme des Landesumweltanwalts in dieser Causa wurde in keiner Weise berücksichtigt. „In Tirol hat dieser, anders als alle anderen sechs österreichischen Landesumweltanwälte, in solchen Angelegenheiten kein Mitspracherecht“, erklärt Georg Willi.
Kraftwerke könnten, so der Klubobmann der Grünen, über alle Bedenken genehmigt werden, denn für die Vergabe der Wasserrechte ist das Land zuständig. Gegen die naturschutzrechtliche Genehmigung könne nur noch die Gemeinde Einspruch erheben. Willi: „Der Instanzenweg ist zu kurz, der Umweltschutz bleibt völlig auf der Strecke.“
Es gäbe, so Sepp Brugger, gegen den naturschutzrechtlichen Bescheid keine Anfechtungsmöglichkeiten. „Diese Vorgehensweise hat mit einem Rechtstaat und mit Objektivität nichts mehr zu tun“, erklärt er und weist auf die unterschiedliche Auslegung des öffentlichen Interesses bei Kraftwerksprojekten hin. „Für das Kraftwerk am Debantbach gab es einen ablehnenden Bescheid, obwohl ähnliche Argumente vorlagen wie in Innervillgraten. Hier wird mit zweierlei Maß gemessen.“
Die Tiroler Grünen werden den Landtag zum Anlass nehmen, die Causa aufzuzeigen und eine Anfrage an den zuständigen Landesrat Hannes Gschwentner zu richten.
Nähere Infos zu den Kraftwerksprojekten hier.
4 Postings
...genau diese arroganz nach dem motto "wir wissen schon was für das volk gut ist, wozu sollten wir noch genauer hinhören" ist bei so sensiblen themen einfach nicht haltbar... ich glaube fast, dass es die alten noch besser konnten... so wird es wohl noch die eine oder andere wahl brauchen um zu fühlen...irgendwie schade!!!
zu "nanny":
Doch. Im Oktober 2009 konnte sich Gschwentner eine Änderung vorstellen, doch ÖVP-Landesgeschäftsführer Rauch stellte fest, er sehe "keinen Handlungsbedarf" und : "Man wolle aber keine weiteren Hürden einbauen, um Verfahren in die Länge zu ziehen" (ORF Tirol 9.10.2009).
Also im Land ist doch Landeshauptmannstellvertreter Hannes Gschwentner für Natur- und Umweltschutz zuständig. Da kam aber auch kein Aufschrei bzw. eifrige Bemühungen um Abänderung der Bestimmungen. Oder?
Rechtsbeugung?
In einem Rechtsstaat muss die Überprüfung möglich sein, ob Bescheide rechtmäßig zustande gekommen sind. Gehört Tirol einem Rechtsstaat an?
In allen anderen Bundesländern Österreichs gibt es die Weisungsfreiheit und das Beschwerderecht des Landesumweltanwaltes – nämlich das Recht, Bescheide dahingehend überprüfen zu lassen, ob sie dem Wortlaut des Gesetzes entsprechen. Tirols Landesumweltanwalt darf das nicht, es ist ihm verwehrt, naturschutzrechtliche Bescheide des Landes einer unabhängigen Prüfinstanz (Unabhängiger Umweltsenat, Verwaltungsgerichtshof) vorzulegen. Die Kraftwerksentscheidung in Innervillgraten ist dafür ein neues, krasses Beispiel.
ÖVP-Landesgeschäftsführer Rauch begründet die Knebelung des LUA damit, dass man „Verfahren nicht in die Länge ziehen“ wolle, ÖVP-NR Hörl argumentiert, dass die Politik „Gestaltungsfreiheit“ benötige. Mit solchen Begründungen die Knebelung der Umweltanwaltschaft zu rechtfertigen, heißt aber nichts anderes, als rechtsstaatliche Grundprinzipien in Frage zu stellen. Es sieht so aus, als ob sich die ÖVP in Tirol weiterhin die Möglichkeit offen halten will, das Naturschutzgesetz unseres Landes bei Bedarf zu beugen. Wieder ein Minus für das ohnehin schon schwer angeschlagene Ansehen der Politik!
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