‚Kim lei’ steht auf der Hauswand neben Hans Salchers Atelier in der Mühlgasse in Lienz. Aufmunternde Worte, die einen schnell in das kleine, gemütliche Künstleratelier schlüpfen lassen. Natürlich fällt der Blick zuerst auf die vielen Bilder an der Rückwand, die die charakteristischen schwarzen Linien samt dezenter Farbgebung aufweisen. Davor steht ein frischer, ausgeruht wirkender Hans Salcher, der sich in seinem Atelier, seinem Künstlerhaus, wohl fühlt.
Man fühlt sich gut aufgehoben, in der Zeit zurückversetzt, wenn Hans Salcher von seiner Kindheit in Bannberg erzählt. „Ich bin als fünftes Kind einer Bergbauernfamilie geboren worden“, sinniert er. Von der frühen Schulzeit gibt es nicht viel Positives zu erzählen: „Die einklassige Volksschule war höllenmäßig, der Lehrer ein Verrückter.“ Salcher kann sich noch genau an diese Zeit erinnern, die ihn für sein ganzes bisheriges Leben geprägt hat.
Auf die Frage, wie und warum er überhaupt Künstler geworden ist, weiß er eine exakte Antwort: „Es war der Zorn, auf alles; ein richtiger Zornausbruch. Ich wollte zuerst Metzger werden, doch dann hat mich die Wut gepackt. Ich habe damals eine passende Ausdrucksform in der Kunst gefunden.“ Und seine Produktivität und Ausdruckskraft spiegelt sich auch auf den Wänden seines Ateliers wider. Unzählige Bilder zieren die Mauern, auf einem Tisch liegen dutzende von Zeichnungen, die sein gesamtes Schaffen rekonstruieren.
Was uns zusätzlich interessiert: Hat sich deine Kunst im Laufe der letzten Jahrzehnte verändert? Er grinst, denkt nach, sagt: „Nein, nicht wirklich. Meine Bilder waren immer schon minimalistisch, vielleicht auch naiv. Sie sind der Gegensatz zum Vollen, zur Überfüllung der Welt. Mit wenigen Strichen oder Wörtern kann man noch Aufmerksamkeit erlangen, der gesättigte Mensch kann das Wenige noch wahrnehmen, deswegen male ich so.“ Salchers Plan: „Ich habe das Ziel, in Zukunft meine Bilder noch hochwertiger zu malen, perfekter naiv sozusagen.“
"Perfekter naiv", ein vollkommener Nebensatz, den er ausspricht, denn Salchers Bilder zeigen alltägliche Motive, einfach, abstrakt, auf ein Minimum reduziert, auf den Punkt genau. Auf handgeschöpftem Bütten, in Standardgrößen 60x80 und 50x60 Zentimeter, malt Salcher alles, was er wahrnimmt. „Im Winter ist es der Schifahrer, im Sommer die Blume, anders geht es nicht. Eine Blume im Winter ist undenkbar.“ Und warum gerade diese Motive? Die Heiligen Drei Könige, Rotkäppchen, ein Schifahrer? „Ich gebe das wieder, was ich als schön befinde, weil ich im Leben sonst nichts Schönes erlebt habe. Ich bezeichne mich selbst nicht als Künstler, ich bin ein Hilfsarbeiter, Hoch- und Tiefbau. Ich helfe den Menschen arbeiten.“ Und damit greift er auch schon den zentralen Punkt seiner Arbeit heraus: das Unmittelbare, das Wahrnehmbare.
Ähnlich verhält es sich auch beim Lyriker Hans Salcher. Als einer der bekanntesten Tiroler Dichter veröffentlicht er schon seit beinahe zwei Dekaden Gedicht- und Erzählbände mit persönlich-literarischen Eindrücken. „Bücher sind für mich Bilder in Schreibform. Ich kann mich nur auf das Wesentliche konzentrieren, der Rest ist unwichtig.“ Das beweist er auch in einer kurzen Videolesung, die wir im Anschluss unseres Gesprächs mitgeschnitten haben. Beschreibungen, Ergänzungen sind Ballast, den er abgeworfen hat, bildlich wie schriftlich. Obwohl als Lyriker bekannt, will er sich in Zukunft eher auf den Bereich Theater konzentrieren. Zwei Stücke aus seiner Feder sind bereits in Innsbruck bzw. Dölsach aufgeführt worden. „Es ist die Vereinigung von Bild und Text. Eigentlich ist das Theater die beste Form, mich visuell und akustisch auszudrücken.“
Obwohl immer wieder Menschen bei der Ateliertür hereinschneien, um Salcher zu begrüßen oder seine Kunst zu bewundern, nimmt er sich Zeit, um über unsere Fragen nachzudenken. Seine Zusammenarbeit mit Red Bull und servus.tv hat ihm noch einen zusätzlichen Bekanntheitsschub verliehen. „Diese Kooperation ist künstlerisch wertvoll, man weiß, wofür man arbeitet.“
Rund zwölf Stunden steht Salcher pro Tag in seinem Atelier. Er zeichnet, denkt, malt, schreibt. Gibt es überhaupt Freizeit? „Ja, natürlich. Am Wochenende habe ich frei, immer. Dann versuche ich zu leben, zu überleben.“ An Pension denkt er nicht. „Ich weiß zwar oft selbst nicht, wer ich bin, aber Pension klingt für mich wie sterben.“
Nach ein paar Fotoaufnahmen verlassen wir Hans Salchers Unterschlupf wieder; um einige Erfahrungen reicher: egal, ob auf Bildern oder in Schrift – Hans Salcher ist eine Osttiroler Institution: ehrlich, sympathisch, kreativ und unheimlich fleißig. Das Erscheinen seines neuesten Buches „Sonne wird man“, das eigentlich im vergangenen Oktober im Innsbrucker Skarabaeus-Verlag hätte publiziert werden sollen, wird sich auf 2011 verschieben.
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