Migration, Asyl und Integration sind heftig diskutierte Themen und dennoch erfahren wir wenig über die eigentliche Arbeit mit diesen Menschen aus fremden Nationen.
Janette Schneider, Obfrau des Weltbüros Lienz und Leiterin des Flüchtlingsheimes Angerburg Lienz, zählt zu den stakeholders im Bezirk. Dolomitenstadt.at hat sie zur Situation befragt.
Weltbüro ist ein toller Name. Was steckt dahinter? Von wem ist die Idee?
Elisabeth Ziegler-Duregger, die Leiterin der Bücherei Lienz, hat seit den Neunzigerjahren Adressen von Zuwanderern aus fremden Nationen gesammelt, um die Menschen untereinander vorzustellen. Damals habe ich im Lucknerhaus gearbeitet, aber meine ursprüngliche Heimat ist die Slowakei und ich wollte etwas dafür tun, dass dieser Name in Osttirol bekannter wird. Mir hat es weh getan, wenn Gäste aus Wien die Slowakei mit Slowenien verwechselt haben oder nicht gewusst haben, wo Bratislava liegt. So bin ich zur Elisabeth gekommen. Nach einigen Treffen habe ich angeregt, einen Verein zu gründen, der Name Weltbüro Lienz ist gefallen und wir sind dabei geblieben. 2002 ist die Gründung des Vereines mit einer ökonomischen Messe beim Lucknerhaus gefeiert worden.
Wer finanziert den Verein/die Aktivitäten/das Büro? Wie viele Mitarbeiter gibt es und wird die Arbeit bezahlt oder helfen die Menschen ehrenamtlich?
Mein Büro ist mein Handy, also wir haben kein Büro. Weltbüro Lienz ist mein Hobby, meine Arbeit ist die Leitung des Flüchtlingsheimes Angerburg. Das ist eine super Verbindung, denn wir kooperieren miteinander und darum funktionieren beide Sachen. Weltbüro Lienz ist ein sozialer Verein, die ganzen Aktivitäten werden durch Sponsoring und Spenden ermöglicht. Der Mitgliedsbeitrag kostet zehn Euro beziehungsweise für Asylwerber fünf Euro pro Jahr. Aber alle arbeiten ehrenamtlich. Im Moment haben wir um die fünfzig zahlende Mitglieder und sogar ohne Asylwerber sind es über 130 helfende Leute. Zu den Mitgliedern zählen aber auch Leute ohne Migrationshintergrund, die lange im Ausland gelebt haben oder neugierig und offen sind für fremde Menschen und Kulturen.
Das Weltbüro arbeitet zum wesentlichen Teil mit dem Flüchtlingsheim Angerburg in Lienz zusammen. Janette, du bist die Leiterin von beiden. Wie geht es den Menschen, wenn sie in Lienz neu angekommen sind? Freuen sie sich auch ein wenig auf Osttirol, oder ist die Situation nur trist angesichts ihres schweren Schicksals?
Seit die Angerburg als Flüchtlingsheim besteht, ist es eines der besten. Die Mund- oder Handypropaganda läuft und das spricht sich herum. Besonders Familien mit Kindern oder Alleinstehende fühlen sich wohl hier. Noch bevor die ersten Flüchtlinge angekommen sind, haben uns die Einheimischen Gewand, Schuhe, Spielsachen, Bücher, Geschirr, Decken und auch Einrichtungsgegenstände gebracht, obwohl die Angerburg vom Land Tirol vollkommen ausgestattet worden ist. Aber wir haben ein großes Lager und alle brauchbaren Sachen werden gehortet und verteilt, wenn Asylwerber die Aufenthaltsgenehmigung erhalten und sich eine Bleibe suchen müssen - immerhin neunzig Prozent möchten in Osttirol bleiben. Der „Neuankömmling“ wird von den Bewohnern schon bei der Tür aufgenommen, das gibt ein besseres Gefühl. Dann kommen sie zu uns ins Büro und meine Kollegin Jitka oder ich sagen ihnen, unser Motto lautet, du bist OK, wir sind OK. Du machst Probleme, also hast du Probleme. Ich führe dann viele Gespräche mit ihnen, da ich auch einige Sprachen spreche.
ad Integration: Wie ist die Situation in Osttirol? Welche Probleme stellen sich hier, die es anderswo nicht gibt. Was ist besser in Osttirol als anderswo?
Der Vorteil der Angerburg ist sicher, dass wir uns im Zentrum befinden. Schulen, Geschäfte, Ärzte, Krankenhaus und so weiter sind leicht zu erreichen. Die Zusammenarbeit funktioniert hervorragend. Die Ärzte sind geduldig und sehr bemüht zu helfen. Die Flüchtlinge haben oft ungewöhnliche Krankheiten, meistens Traumata oder verschleppte Verletzungen, die ohne Sprachkenntnisse besonders schwer zu diagnostizieren sind. Trotzdem geben die Ärzte nicht auf. Auch die Zusammenarbeit mit der Polizei funktioniert gut. Es gibt keine Razzia, sondern die Kontrollen werden abgesprochen. Im Haus gibt es keine Security, die Menschen fühlen sich wohl und deshalb verhalten sie sich anständig. Osttiroler lachen dich auf der Straße an, sie grüßen dich, sind freundlich. Das gibt es nicht in einer Großstadt.
Schlechter finde ich, dass es hier keine Abendschule gibt. Asylwerber haben zwar Schulpflicht, aber wenn sie über zwanzig Jahre alt sind, nimmt sie keine Tagesschule mehr auf. Sie haben sich dann oft die nötigen Sprachkenntnisse angeeignet, dürfen am Unterricht aber nicht mehr teilnehmen. In Nordtirol ist das besser. Da gibt es ein Abendgymnasium.
"Die ganze Welt trifft sich in Osttirol", organisiert vom Bildungshaus, den örtlichen Schulen, vielen Geschäftsleuten und dem Weltbüro Lienz, war ein gelungenes Fest. Dolomitenstadt.at hat mitgefilmt. Welche Rückmeldungen habt ihr erhalten? Was ist passiert seitdem, was hat der Auftritt gebracht?
Das Fest war die Eröffnung des Projektes. Bereits während des Festes und noch zwei Monate danach hat es von Anrainern und Geschäftsleuten nur positive Rückmeldungen gegeben. Alle Mitwirkenden, alle Menschen aus fremden Nationen und die Asylwerber selber haben gezeigt, was sie mit ihrem Land verbindet und sie haben erfahren, dass sie von der Bevölkerung aufgenommen werden, dass sie keine Angst haben müssen. Im Herbst beginnt die Wanderausstellung der Schautafeln mit Informationen zu allen Nationalitäten in Osttirol. Schulen, Institutionen, Vereine können die Ausstellung mieten. Im Laufe der Ausstellung haben sie die Möglichkeit, beim Weltbüro Lienz ein internationales Buffet zu bestellen, das wir gerne zubereiten. Die Osttiroler sollen wissen, welches Potential und welchen Schatz wir haben! Im Haus wohnen viele Handwerker, oder Leute, die als Lehrer unterrichtet haben, Buchhalter, Köche. Alle werden miteinbezogen. So haben Frauen aus der Angerburg verschiedene Kurse gehalten, wie Kochen, Russisch für Kinder, damit sie ihre Muttersprache nicht verlernen, Tanzen oder Malen.
Welche Projekte laufen sonst noch im Weltbüro Lienz und wohin geht die Zukunft?
Auf unserer Homepage www.weltbuero.at kann man alle Projekte nachlesen. Die Sektion Young Weltbüro Lienz, wo Begegnungen zwischen Einheimischen und Flüchtlingskindern stattfinden, liegt mir am Herzen. Sie hat zwischendurch gut funktioniert, doch leider findet sich derzeit kein Betreuer dafür. Das wäre mir ein großes Anliegen, wenn sich für diese Arbeit jemand finden würde!
Janette Schneider lebt seit 1990 in Österreich. Ihre ursprüngliche Heimat ist die Slowakei. Dort arbeitete sie als Rezeptionistin, bis sie nach der Wende die Chance auf ein „Freijahr“ bekam. Sie bereiste Österreich und lernte auch die Tiroler Berge lieben. Mit guten Deutschkenntnissen bekam sie rasch einen Job als Kellnerin in Oberösterreich. Danach übersiedelte sie ins Ötztal, wo sie in Vent arbeitete, bis sie schließlich 1993 nach Kals wechselte. Seit 2002 leitet sie erfolgreich das Weltbüro Lienz und seit 2004 das Flüchtlingsheim Angerburg in Lienz.
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