„Totenhaus“ – Kunstvolles Ableben im Telegrammstil
Bernhard Aichners Bestsellererfolg geht in die zweite Runde.
Eine Exhumierung fördert einen Kopf und zwei Beine mehr an den Tag, als in einem Sarg sein hätten dürfen. Womit Brünhilde Blum, Mutter, Bestatterin und Serienmörderin, am wenigsten gerechnet hat, wird wahr: Die Spuren ihres Rachefeldzuges aus „Totenfrau“ werden aufgedeckt. Nur sie als Bestatterin kommt als Täterin in Frage. Sie ist gezwungen, ihre Kinder zu verlassen und die Hilfe von Unbekannten anzunehmen. Zuflucht findet sie in einem stillgelegten Luxushotel, einem Ort, der nicht nur für sie zum Totenhaus wird.
Bernhard Aichner schickt seine Heldin Brünhilde Blum erneut durch die Hölle, lässt sie aber dieses Mal mehr Opfer denn Täterin sein. Im ersten Kapitel von „Totenhaus“ begegnet ihr der Leser, als sie verhungert, verdurstet und ihrem Ende nahe ist. Womit nicht allzu viel verraten wird. Denn dieses erste Kapitel findet sich schon als Vorabdruck in der Taschenbuchausgabe von „Totenfrau“, Aichners im deutschsprachigen Raum mit über 100.000 verkauften Exemplaren erfolgreichem Thriller aus dem Vorjahr. Ein Erfolg, der dem Autor mit Veröffentlichungen in 15 Ländern von Norwegen bis Italien und den USA bis Australien auch 2015 internationale Medienaufmerksamkeit sicherte. Ein Erfolg, der sich noch steigern könnte, denn im Moment laufen die Verhandlungen über eine Verfilmung durch das englische Produzentenduo Justin Thomas Glover und Patrick Irwin (The Fall). Geplant ist, den Stoff als sechsteilige Serie für das US-Fernsehen und den internationalen Markt zu produzieren.
Im zweiten Teil der „Totenfrau“-Trilogie wagt Bernhard Aichner ein Experiment. Er spielt mit Zeiten und Rückblicken und bindet den Leser eng an Blum, zeigt ihm die Welt exklusiv durch ihren Blick, ihre Gefühle, als Mutter und Mörderin, als Frau, die geliebt und berührt werden will, die sich und dem Tod auf extreme Art selbst begegnet. Aichner gelingen mit zwei abgründigen Nebenfiguren, denen Blum auf Gedeih und Verderb ausgeliefert ist, sowohl starke emotionale Momente als auch eine kritische Betrachtung des künstlerischen Umgangs mit dem Tod und dem Kunstbetrieb. Das Experiment scheitert nicht, sondern glückt dank eines starken Plots und einem feinen Gefühl für Sprache und Figuren.
Der Handlungsverlauf ist gewohnt rasant und Aichners Sprache nach wie vor kurz und knapp. „Ich erinnere mich, dass ich vor ein paar Jahren in einem Skizzenbuch notierte: 'Buch wie Film!' Ich wollte ein Buch schreiben, das wie ein Film funktioniert, in dem ein einziger präziser Satz eine ganze Szene entstehen lässt. Das bedeutet natürlich: reduzieren, reduzieren, reduzieren, bis nur noch das Nötigste übrig ist“, sagt der Autor, der sich zu „Totenhaus“ auch durch Stephen Kings „Shining“ inspirieren ließ. Wobei es Zufall ist, dass Stephen King Verlagskollege bei Scribner in den USA ist.
Das Osttiroler Publikum kommt am Mittwoch, dem 9. September, im Alten Heizhaus des Bahnhofs Lienz in den Genuss einer der ersten Lesungen aus „Totenhaus“, das heute, am 17. August, in die Buchhandlungen kommt. Die Kartenreservierung ist über die Stadtkultur schon möglich. Neu aufgelegt wird 2015 auch Aichners Roman „Das Nötigste über das Glück“ beim Tiroler Verlag Haymon, der schon 2004 bei Skarabäus veröffentlicht wurde.
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