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Ich bau die Skischaukel, du brauchst das Speibsackl

Vom Unterschied zwischen benachbarten Regionen. Ein Kommentar.

Plakatmotiv der Befürworter der neuen Sextener Skischaukel.
Plakatmotiv der Befürworter der neuen Sextener Skischaukel.
  Manche Ereignisse korrelieren erst auf den zweiten Blick. Zum Beispiel die politische Farce rund um die "Direktverbindung Lienz Innsbruck" und der Konflikt um den Ausbau des Skigebietes Sexten-Rotwand. Bei näherer Betrachtung hängt beides zusammen und zeigt wunderbar, wie unterschiedlich das kollektive Selbstwertgefühl von benachbarten Regionen sein kann – und wie verschlungen die Wege zur regionalen Weiterentwicklung. Bezeichnend ist zum Beispiel die Konsequenz, mit der Südtirol eine sogar im Weltmaßstab gigantische Wintersport-Infrastruktur geschaffen hat. Dolomiti-Superski ist ein Moloch, eine gut geölte Maschine, die  Millionen Gäste ansaugt. Zwölf Talschaften und drei Volksgruppen – Italiener, Ladiner und Deutschsprachige – agieren als homogener Block mit dem eisernen Willen, den größten Liftverbund der Welt noch größer zu machen. Klimaerwärmung? Nicht unser Bier. Die Politik flankiert dieses Vorhaben mit einer perfekt getakteten Offensive im öffentlichen Verkehr, weil das enge, kurvige Pustertal auch für Skitouristen eine Herausforderung ist. Innichen, Toblach und Sexten spielen in der Nächtigungsliga von Kitzbühel. Will man noch mehr Gäste als derzeit in den hintersten Südtiroler Winkel schaufeln, braucht man effiziente Öffis. Also kauft das Land ein paar flinke Flirtzüge, baut bis Vierschach Bahnhöfe, von denen Osttiroler und Oberkärntner nur träumen können und bindet diese Bahnstationen perfekt an Lifte an, um die Skifahrer gleichmäßig auf die umliegenden Berge und Skischaukeln zu verteilen. Die Züge fahren stündlich hin und retour, zum Beispiel auch von und nach Vierschach. Von dort geht´s auf den Helm und weiter nach Sexten, zur Rotwand, später auch ins Comelico. All das ist, wie gesagt, perfekt eingetaktet, auch politisch, da stimmen das Timing und die Finanzierung. Und wenn einmal ein wenig Sand ins Getriebe kommt – weil die Umweltschützer nicht mitspielen – dann krempeln honorige Sextener Unternehmer und Touristiker die Ärmel hoch, holzen auf eigene Faust am Wochenende 10 Hektar Wald um und schaffen knallhart vollendete Tatsachen, bevor die Gerichte entscheiden, ob man das überhaupt darf. "Fait accompli" nennt man das im Diplomatenfranzösisch: einen nicht mehr rückgängig zu machenden Sachverhalt schaffen. Womit wir auch schon bei Osttirol wären. Da regen sich die politische Opposition und engagierte Studenten darüber auf, dass plötzlich der direkte Zug nach Innsbruck – der einst identitätsstiftende "Egger-Lienz" – verschwindet, weil ihn eh keiner mehr braucht, jetzt wo die Südtiroler so tolle Flirtzüge haben. Auch hier gab´s ein "Fait accompli". Der Steixner Toni, machtbewusster als jeder andere Tiroler Spitzenpolitiker seiner Periode, hat den Direktzug einfach abbestellt, ein paar Tage vor seiner politischen Pensionierung. Basta. Brauchen wir nicht mehr. Wir "flirten" jetzt lieber im Stundentakt mit den Südtiroler Skihaserln herum. Falls wir doch einmal nach Innsbruck müssen (ich persönlich versuche das zu vermeiden), dann steigen wir halt schnell in Fortezza um. Ist doch super, oder? Da lernt man neue Leute kennen! Wer fußmarod ist oder alt, viel Gepäck zu schleppen hat oder keine Lust auf ein schüchternes "Entschuldigung, ist da noch frei?", der kann ja den direkten Bus nach Innsbruck nehmen. Das ist die im Norden und Süden ausgetüftelte Osttiroler Lösung. Und während die Südtiroler Grünen für die Aufrechterhaltung der Direktverbindung und gegen die Pistenplanierung in Sexten kämpfen, kuscheln sich die grünschwarzen Osttiroler Politiker zusammen und rufen dem Felbertauern-geschädigten Volk zu: "Alles besser, als zu Fuß gehen". Na dann. Lassen wir die Nachbarn weiter auf Teufl komm raus an ihrem Tourismusimperium basteln, gehen wir zurück in unsere Vordenkerrunden und Regionalbeiräte, halten wir die Hand auf, wenn der Landeshauptmann und die Frau Felipe vorbeischauen und richten wir schon einmal das Speibsackl für die Busfahrt her. Die Straße durch´s Pustertal hat verdammt viele Kurven.  
Gerhard Pirkner ist Herausgeber und Chefredakteur von „Dolomitenstadt“. Der promovierte Politologe und Kommunikationswissenschafter arbeitete Jahrzehnte als Kommunikationsberater in Salzburg, Wien und München, bevor er mit seiner Familie im Jahr 2000 nach Lienz zurückkehrte und dort 2010 „Dolomitenstadt“ ins Leben rief.

8 Postings

atomsix
vor 11 Jahren

Ein wie immer sehr guter Kommentar von G. Pirkner. Dem aufmerksamen Leser werden wiedereinmal die Augen geöffnet, welche Hintergründe Anlass für politisches Handeln sind bzw. sein könnten. Solche Denkanstöße bzw. Gedankengänge nützen in den nächsten Wochen und Monaten hoffentlich auch die Verhandler bzw. polititschen Vertreter auf österreichischer bzw. osttiroler Seite, wenn es darum geht, die Finanzierung das kommenden Stundentaktes mit den Italienern bzw. Südtirolern auf der anderen Seite der Staatsgrenze auszuschnapsen.

Denn hier zeigten sich unsere Nachbarn zuweilen äußerst sparsam und überließen den Österreichern bzw. Tirolern den Großteil der Kosten. Wenn nun der Stellenwert der Bahnverbindung auch im Pustertal zukünftig ein bedeutend höherer sein soll, müsste dies doch auch die Verhandlungsposition der "Unsrigen" stärken. Und das nicht nur im Hinblick auf die Kostentragung sondern auch in Richtung des einen oder anderen Direktzuges, der in der Fülle der in Zukunft verkehrenden Züge, das eine oder andere Mal jede Woche die Landeshauptstadt Innsbruck erreichen könnte.

Ich habe als gelegentlicher Öffinutzer eigentlich kein Problem mit dem Umsteigen, - das ist man als Osttiroler eigentlich gewohnt, wenn man mit dem Zug an einen Ort fahren muss, der mehr als 2 oder 3 Stunden entfernt ist. Daher sollte das Umsteigen in Franzensfeste, womöglich sogar am selben Bahnsteig, kein Problem sein. Zur Direktverbindung ist es dennoch ein Rückschritt.

Aber wie gesagt, das Aus für die Direktverbindung ist genauso nicht fix wie die Finanzierung des zukünftigen Stundentaktes.

So long - die Hoffnung stirbt zu letzt - zu 50 % hat man es auf unserer Seite der Staatsgrenze selbst in der Hand.

 
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hoidanoi
vor 11 Jahren

@ spitzeFeder:

Die interessante, offensichtlich extrem fundierte Bedarfsanalyse des Parteimitglieds der Grünen, Sepp Brugger, erstaunt. Aber wozu sich mit Details und Begründungen aufhalten, jetzt, als Koalitionär, da lässt sich sowas schon einmal einfach so sagen. Wer regiert, hat recht und ganz besonders dann, wenn man moralisch gleich auch noch die Weltenrettung im Rucksackerl hat. - Da die Grünen sich mittlerweile in all ihrer Regierungstauglichkeit anschicken, schwarze Verkehrspolitik als Neo-Koalitionär brav umzusetzen, scheint Brugger darauf zu vertrauen, dass man auch bei der Verwicklichung eines grenzüberschreitenden Liftprojektes auf die im Bezirk schon präkoalitionär geleistete Vorarbeit aufbaut. "...und wird es nicht geben." - Sagt er einmal so, der Brugger Sepp. Ganz wirtschaftlich fundiert, wie schon bei seiner Bedarfsanalyse. Gewürzt mit einer Verhandlungs-Empfehlung des Naturistikers. Eine Kompetenz-Demonstration? Nein.

 
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spitzeFeder
vor 11 Jahren

Zitat: "Die Schischaukel Sillian-Sexten braucht es nicht und wird es auch nicht geben..."

Warum, warum nur seid ihr Grünen gegen alles und jeden? Wie wollen Sie wissen, ob es dieses Projekt "nicht braucht" oder halt "doch braucht"? Aber den neuen Bahnhof in Vierschach braucht es, weil "Schigebiete mit den Öffis erreichbar sein sollen". Diese Philosophie muss mir erst mal jemand erklären... Und ob diese Schaukel kommt oder nicht, da würde ich mich nicht auf Herrn Bruggers Weitsicht verlassen.

Zitat: "Als Grüner kann ich nur für einen zusätzlichen Bahnhof in Vierschach sein."

Ganz genau. Von der Strasse auf die Schiene. UND NICHT VON DER SCHIENE AUF DIE STRASSE!

 
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Detektor
vor 11 Jahren

Kann man die Situation besser formulieren als Gerhard Pirkner? Gratulation zum Kommentar! Die Kommentierten Umstände selbst sind allerdings beklemmend.

 
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Sepp Brugger
vor 11 Jahren

Als Grüner kann ich nur für einen zusätzlichen Bahnhof in Vierschach sein. Schigebiete sollen auch mit den öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar sein. Warum sollten Gäste aus Vierschach/ Innichen nicht auch nach Lienz - aufs Zettersfeld fahren. Dazu sollte aber endlich ein einheitlicher Schipass geschaffen werden. Ich wünsche mir, dass unsere Touristiker diesbezüglich mit den Betreibern von Dolomiti-Superski verhandeln. Das wäre effektiver und zielführender für den Osttiroler Tourismus, als zu Demonstrationen für die Umweltzerstörung nach Sexten zu fahren. Die Schischaukel Sillian-Sexten braucht es nicht und wird es auch nicht geben - trotz Demonstrationen in Sexten. sepp brugger

 
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Weibsteufl
vor 11 Jahren

Es gibt einen ganz gemeinen Witz, den Nordtiroler erzählen, wenn sie einen Osttiroler treffen: "Was hat ein Osttiroler und ein Furz gemeinsam? Einmal draußen, dann nie ..... " Nicht sehr nett aber meist stimmt es, da die "residence = Daheimgebliebenen" es nicht schaffen Struktur in den Bezirk zu bringen, damit man sich wohl fühlt.

Die meisten kommen heim, wenn sie ein Kind bekommen, weil es bei uns so schön ruhig, ungefährlich ist. Sobald die Nestpflege beendet ist, brechen die meisten mit einem Seufzer die Zelte wieder ab. Ermüded von Sätzen: "Haben wir schon immer so gemacht", "das darf man nicht öffentlich sagen", "wir können nicht mehr zahlen", "der Chef bin halt noch ich", ....

Kann mich an das Gymnasium erinnern und war eine stolze Schülerin und wusste, dass bei uns in Osttirol viel Wert auf gute Ausbildung gelegt wird. Ehrlich - ich war stolz eine Osttirolerin zu sein. Nicht nur an den Schulen, sondern auch bei Firmen wurde Wert auf Wissen und Handwerk gelegt.

Das Problem ist, dass sich die Residence gegenseitig kleinmachen und sobald jemand auf Misstände hinweist, sofort um Geld ansuchen und einen auf Mitleid zu machen. Die einzigen, die im Bezirk ein ruhiges beschauliches Leben führen, sind Beamte und Lehrer und der Rest muss sich mit Taschengeld-Gehältern durch das Jahr gfretten.

Die Osttiroler machen sich selber klein und da braucht es niemanden von außen. Es ist Zeit das zu ändern. Wenn wir uns in Osttirol selbst nicht wohl fühlen, möchte ich wissen, wer bei uns Urlaub machen soll??

 
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nanny
vor 11 Jahren

Wow, punktgenau. Nur schlecht für meinen Blutdruck. Es ist zum - wo ist das bewusste Sackerl bitte?

 
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hoidanoi
vor 11 Jahren

Die normative Kraft des Faktischen, wie das "Fait accompli" im Juristendeutsch genannt wird, kennt auch das umgekehrte Vorzeichen - Fakten durch Verhinderung wie Untätigkeit zu schaffen und so den Status Quo zu zementieren. - Mancherorts werden die Errichtung von Gemeinde- und „Kultur“-Zentren sowie die Asphaltierung von Forststraßen als Mittel zum Abwanderungsstopp gefeiert. Die Abwanderungsrate ließ sich dadurch bisher nicht senken. Also mussten kreative Lösungen her. - Vielleicht ist ja die Einstellung des Direktzugs ein gefinkelter Schachzug Steixners gewesen, um die Abwanderung so zu verhindern. Man kommt schwerer nach Osttirol, aber viel wichtiger, man kommt noch schwerer weg. - Wie schon bei der allseits begrüßten Weiterexistenz des Bezirks als EU-Fördergebiet unterstrichen wurde - ein Grund dafür sei die besonders verbesserungswürdige Verkehrsanbindung. Hier also muss Herrn Steixner eigentlich gedankt werden, hat seine Politik doch maßgeblich zum Erhalt der Förderbedürftigkeit geführt. Als Landwirt weiß Steixner, Kuhgitter sind probate Mittel gegen Fluchtversuche von Nutztieren. Was dem Landwirt ein Kuhgitter ist dem Verkehrspolitiker ein eingestellter Direktzug. - Ein weiterer hilfreicher Faktor zur prolongierten Mitgliedschaft in der Regions-Fördergruppe stellte die besondere Zuwendung dar, die dem Projekt Franz Kralers zuteil wurde. Wer durch den Zusammenschluss zweier Skigebiete Gefahr liefe an einem wirtschaftlichem Erfolgsmodell zu partizipieren, der versaut die Zuwendungsbilanz. Kommt da gar ein Unternehmer, der sagt, er wolle Nichts außer einer Genehmigung. Soweit wollte man es doch nicht kommen lassen. Wenn das einreißt! Man hat schnell reagiert und das Ergebnis ist bekannt. - Um daran auch nichts zu ändern, werden Klauseln und Talbodenlösungen ersonnen, Fördermodelle strukturiert, Arbeitsgruppen gebildet und eifrig Nabelschau betrieben. Man setzt sich enge Grenzen und agiert damit auf vertrautem Terrain. Der Blick über diese Grenzen wird unterbunden mit dem Zuruf, dieses oder jenes können man nicht verlgeichen, das sei etwas völlig anderes, da drüben. - Initiativ zu werden, und sei's mittels sprichwörtlicher Axt im Wald, so ganz ohne Geldgaben aus landesherrschaftlicher Hand, das scheint diesseits der Grenze unheimlich zu sein. Sowas macht man nicht. Und weil man sowas nicht macht, macht man lieber lange Nichts mit denen drüber der Grenze, die man zeitgleich offen beneidet. Man isoliert sich und bleibt lieber unter sich, fühlt sich benachteiligt und wähnt sich so struktur-konservativ treu zu sein. - Ist es ungerecht, so etwas zu sagen? Ja, ist es. - Aber manchmal, ganz besonders in Momenten, in denen das ewiggleiche Klagelied der ständigen Benachteiligung der Osttiroler laut und vernehmlich angestimmt wird, da scheint das oben Gesagte doch sehr plausibel. Und dann könnte man das Speibsackerl auch ganz ohne Busfahrt gut gebrauchen.

 
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